Berner-Treffen in Taschkent. Gerhard, Sara und Joelle sind seit zwei Monaten unterwegs nach Kirgistan.
Berner-Treffen in Taschkent. Gerhard, Sara und Joelle sind seit zwei Monaten unterwegs nach Kirgistan.

Kilometer und Abgase „fressen

Unsere Route bis Taschkent und hundert Kilometer darüber hinaus bleibt landschaftlich eintönig und zum Fahren mehrheitlich langweilig. Abwechslung, auf die wir allerdings verzichten könnten, verschaffen uns einzig unsere schon seit einer Woche andauernden Darmprobleme und die Polizeikontrollen alle paar Dutzend Kilometer. Jedes Mal den Pass vorweisen, dann werden unsere Personalien fein säuberlich von Hand auf einem Formularblatt eingetragen. Wir sind, das ist ganz offensichtlich, eine willkommene Abwechslung im ereignislosen Kontrollalltag der Uniformierten und erzählen brav immer wieder unsere Reisegeschichte. Schikanen gibt es nie, das würde ganz einfach nicht zu den freundlichen Usbeken passen.

Trotzdem Bea eigentlich keine Frühaufsteherin ist, geniessen wir die ruhige Zeit nach Sonnenaufgang im Sattel, wenn das Thermometer knapp 23 Grad anzeigt und sich kein Lüftchen regt, jeweils sehr. Morgenessen gibt es nach ein oder zwei Stunden in der Hoffnung, wenigsten etwas behalten zu können (nach zehn Tagen Kräfte zehrendem Dünnsch . . . hängen die Hosen wie alte Säcke am Leib). Mittags ist ganz sicher ein kühles Blondes fällig und, weil Abwechslung in der usbekischen Restaurantküche ein Fremdwort ist, der obligate Schaschlik-Spiess mit Brot (hängt uns längst zum Hals heraus) oder eine Corba (Fleischsuppe, die Pit sehr mag, aber bitte nicht jeden Tag).

Noch bevor wir das Essen vorgesetzt bekommen weiss die ganze Beiz, dass da zwei aus Schwitzaria von der Türkei nach China fahren, wie alt sie sind und wie viele Kinder sie haben. Das sind die brennenden Fragen, die die Usbeken bewegen. Ist immer wieder lustig und amüsant.

Blüte der Baumwolle.
Blüte der Baumwolle.

Nach einer langen Siesta im Schatten überreden wir uns, doch noch gut zwei Stunden durch die nachmittägliche bleierne Hitze zu treten. Es rollt nicht mehr so flüssig wie am Morgen . . .

 

Nach zwei Pausentagen in Taschkent, die Stadt bietet uns nichts besonderes, tauchen nach und nach braunrote Hügelzüge, niedere Berge . . . und unvermittelt drei Motorradfahrer aus dem Emmental neben uns auf! Gerhard, Sara und Joelle sind vor zwei Monaten in der Schweiz losgefahren und wie wir auf dem Weg nach Kirgistan. Alles Gute für eure weitere Tour und merci, dass ihr euch Zeit für einen ausgiebigen Schwatz genommen habt!

Die Hauptverbindungsstrasse nach Osh in Kirgistan führt über den 2267 m hohen Kamchik-Pass. Im Tal werden mächtige Dämme für eine neue Eisenbahnline aufgeschüttet, Bulldozer fressen sich durch das unberührte Flussbett, schwer beladene Lastwagen noch und noch. Die Strasse, auf vielen Kilometern Holperpiste mit fiesen grossen Löchern und noch fieseren Querrillen und -gräben, vor allem für uns Velofahrer, wird breit ausgebaut und neu betoniert. Der Verkehr drängt sich auf schmaler Spur, bergwärts kriechende LKW´s, Abgase, Staubwolken, Lärm . . . richtig schön zum Velofahren.

Auf dem Pass zum Abschluss zwei Tunnels, natürlich mit obligater Passkontrolle und Registrierung, dann endlich die laaange Abfahrt über satte 80 km. Wir lassen es flitzen, überholen langsam talwärts rollende Lastwagen und freuen uns wieder am Velölen.

Qoqand – Andijan, das sind 130 Kilometer ohne Kurven und flach wie ein Brett. Am Mittag sind fast 80 km bei leichtem Rückenwind herunter gehauen, Adijan erreichen wir am späteren Nachmittag.

Einen einfacheren Grenzübertritt haben wir bisher kaum erlebt. Den Kirgisen genügt ein Reisepass. Der Zollbeamte haut den Stempel auf Seite 34, heisst uns in seinem Land willkommen. That´s it. Wir sind in Osh.

Bis zur chinesischen Grenze sind es ca. 250 Kilometer. Dazwischen liegen traumhafte Hochebenen, drei Pässe, der höchste mit 3615 m, wenige kleine Dörfer, Jurtensiedlungen und Ausblicke ins imposante Pamirgebirge, u.a. auf den 7134 m hohen Pik Lenin. Wir freuen uns sehr auf diese Etappe!

 

Erst am 4. September steigen wir auf die Velos (wegen eines Feiertags ist die chinesische Grenze am Irkeshtampass vom 6. bis 8. September geschlossen).

Wie und wo wir in China ins Internet kommen, wissen wir nicht. Trotzdem freuen wir uns über jeden Gruss! Gute Zeit und schöne Herbsttage. Bea und Pit

Im Land der Melonen – Usbekistan

„Fühlen sie sich gesund?“, mit dieser Frage ist für den Arzt an der usbekischen Grenze die vorgeschriebene medizinische Untersuchung im kleinen Vorzimmer erledigt. Nach einer kurzen Plauderei über unsere Reise sind wir entlassen. Pit hat seinen Husten unterdrückt und seine laufende Nase ist nicht aufgefallen. Die wahnsinnig kalt eingestellte und direkt ins Gesicht blasende Klimaanlage im Zug nach Turkmenabad hat Riecher und Hals buchstäblich den Rest gegeben. Nicht das erste Mal und sicher nicht das letzte Mal.

Nach zwei Stunden warten, Formular ausfüllen (was wird an Bargeld in welcher Währung mitgeführt, elektronische Geräte, Wertsachen usw.), Gepäckkontrolle und Durchsuchen der Reiseapotheke nach Schlafmittel und Psychopharmaka (sind verboten, resp. gelten als Drogen), ist es – endlich – geschafft: wir rollen auf usbekischen Boden. Unser 30. Reiseland erweist sich auf den 550 Kilometern bis Taschkent als wenig reizvoll für uns Velofahrer. Topfeben die Landschaft, vereinzelt mal ein Fluss oder Kanal, ein paar wüstenähnliche Abschnitte, selten Schatten. Der vierspurigen Strasse, mal mit feinstem Belag, mal Wellblech und schlimmer, stellen sich keine Hindernisse in den Weg. Auf siebzig und mehr Kilometer schnurgerader Piste pedalen wir vor uns hin und hoffen, doch irgendwann an ein Ende zu kommen oder wenigsten etwas die Richtung zu ändern.

Landwirtschaft dominiert die Region. Baumwollfelder, Tomaten, Obsthaine und magere Kühe, die das spärliche Gras entlang der Strasse rupfen, bilden unsere Kulisse von morgens bis abends – und Melonen. Riesige Mengen der Kürbisgewächse werden zum Verkauf angeboten. Für uns ist Usbekistan schlicht das Land der Melonen. Wüssten wir es nicht besser, wir würden glauben, die Usbeken lebten im Sommer nur von den süssen, saftigen Früchten. Ganze Lastwagenladungen verschiedener Sorten werden alle paar hundert Meter kunstvoll aufgetürmt.

In diesen Tagen fahren wir den 4000ten Kilometer auf der Seidenstrasse. 18´000 Kilometer auf dem Velo sind es seit Beginn unserer Tour Ende September 2012.

In der schönen Altstadt von Buchara.
In der schönen Altstadt von Buchara.

Leider machen uns seit Tagen Magenprobleme mit heftigem Durchfall zu schaffen, Melonen sind da nicht ideal. Wie viele andere Radfahrer in der Region, hat es auch uns erwischt. Wir radeln und plötzlich sollte man sich ganz dringend hinter den nächsten Busch verdrücken, wenn da nur einer wäre! Wenigsten können wir viel trinken und mit den Medikamenten, die wir dabei haben, sollte der „Tout de suite“ doch endlich abklingen, bevor unser Hintern ruiniert ist. Für das Fahren brauchen wir intaktes Sitzfleisch.

Die langweilige Treterei machen die vielen Begegnungen mit den Usbeken wett. Wir sehen nie Auslänger, ausgenommen ab und zu iranische oder türkische Lastwagenfahrer. Selbst Velofahrer begegnen uns kaum, da werden wir schon mal als selten Spezies – wie kann man freiwillig mit dem Velo um die halbe Welt fahren? – bestaunt oder gleich als Gäste zu einer Hochzeitsfeier eingeladen, wie vor Buchara. Wir geniessen die Offenheit und schätzen die Hilfsbereitschaft der Usbeken, trotz der grossen Sprachhürde. Selten spricht jemand etwas Englisch. Wenn wir auf die obligate Frage, woher wir kommen, „Schwitzaria“ antworten, ist die Reaktion immer die gleiche: „Ah, Schwitzaria!“ Wir würden wetten, dass die wenigsten wissen, wo die Schweiz auf der Landkarte zu finden ist. Schwitzaria geniesst offenbar trotzdem einen sehr guten Ruf, was uns die eine oder andere Tür der Gastfreundschaft noch weiter öffnet.

Buchara und Samarkand

Das weniger bekannte Buchara hat uns besser gefallen als das grosse, klingende Samarkand an der Seidenstrasse. In beiden Städten ist der Tourismus wichtig und präsent. Erstmals seit Kappadokien in der Türkei sehen wir wieder grosse Tourbusse und hören auf der Strasse, Italienisch, Spanisch, Französisch und Englisch. Das südlichere, kleinere Buchara hat einen sehenswerten Altstadtkern und ist zu Fuss gut zu erkunden. In Samarkand beeindrucken uns die riesigen Bauwerke mit den farbigen Fassaden und imposanten Torbögen. Was müssen Asienreisende auf der Seidenstrasse empfunden haben, die vor ein paar hundert Jahren aus Europa kommend erstmals solche gewaltigen Bauwerke bestaunten?

Die Bauwerke sind bis in Detail renoviert, umgeben von akkurat gemähtem Rasen, erschlossen mit gepflasterten Wegen und werden nachts professionell angestrahlt. Auf den ersten Blick schön anzusehen, doch ohne Leben, ohne orientalisches Flair. Mitten in der modernen Stadt wirken die wunderbaren alten Baudenkmäler auf uns wie museale Inseln, denen man den Verwendungszweck gestohlen hat. Für teilweise happige Eintritte (wir bezahlen das sechsfache gegenüber Einheimischen), gibt es keinerlei Informationen zu den Moscheen (oder sind es Paläste?). Dafür an allen Ecken und Enden Souvenierläden mit Einheitsangebot. Einen Kaffee oder gar ein Bier trinken ist nirgends möglich.

Es gibt keine Altstadt, selbst der Basar ist ohne Flair und für uns eine Enttäuschung und verdient höchstens die Bezeichnung moderner Mark. Das ist nicht unsere Welt. Oder haben wir schon zu viele schöne Städte gesehen und sind zu anspruchsvoll? Zwei Tage Samarkand sind denn für uns mehr als genug.

Samarkand