Tesekuler ederim, Türkei

Nach 1350 Kilometern und 9300 Höhenmetern verlassen wir 18. Mai 2014 die Türkei. Die Küstenstrasse von Ordu nach Trabzon war langweilig, die meisten Ortschaften ohne Reiz, grau, trist. Das macht uns den Abschied leichter.

Kappadokien und die Strasse über das Pontische Gerbige ans Schwarze Meer waren Highlights, die wir nicht missen möchten. Ganz besonders aber haben wir jeden Tag die grosse Gastfreundschaft der Türken genossen, genau so wie wir sie schon im Herbst und Winter 2012 erlebt haben. Jetzt freuen wir uns auf Georgien. 

Felsenkloster Sumela

bei Trabzon

Das ehemals griechisch-orthodoxes Kloster aus byzantinischer Zeit liegt 45 km ausserhalb Trabzons auf 1050 m ü.M. Erste Bauten wurden um das Jahr 500 errichtet. Nach einer bewegten Geschichte mit Zerstörung und Wiederaufbau steht es seit 1972 als Nationalerbe unter staatlichem Schutz.

Wenn wir auf Fragen nach der Route Trabzon nannten, fiel rasch der Name „Sumela Monasterie“, die unbedingt besucht werden sollte. Das einzig wirklich tolle bei unserem Besuch war das Wetter, die bergige Umgebung, die stark an die Schweiz erinnert und der Blick von der Strasse zum Kloster hoch oben. Ein paar kahle Räume, keine Infos, von Vandalen zerstörte Malereien und Touristen, die vor allem sich selber fotografieren. Der grösste Teil des Komplexes ist zudem nicht zugänglich.

Wir sind enttäuscht und finden, dass man sich den Ausflug zum Kloster sparen kann.

Ordu am Schwarzen Meer. Eine neue Seilbahn führt über die Stadt auf den Hausberg Boztepe.
Ordu am Schwarzen Meer. Eine neue Seilbahn führt über die Stadt auf den Hausberg Boztepe.
Ordu bei Nacht vom Boztepe.
Ordu bei Nacht vom Boztepe.
Die neue Sarayburnu Moschee in Bulancak.
Die neue Sarayburnu Moschee in Bulancak.

Trabzon

Eigentlich wollten wir die knapp 200 km bis Trapzon auf drei Tage aufteilen und die Fahrt an der Küste geniessen. Ausser gewohnt breiten Strassen, Lastwagenverkehr, ein paar Tunnels und ein bisschen auf und ab hat die Strecke nicht viel zu bieten. Die wenig einladenden und grauen Ortschaften werden alle umfahren, was uns diesmal ganz recht ist. In Einesyl gar, wir trauen unseren Augen nicht, stinkt und raucht zwischen dem Städchen und der Umfahrungsstrasse am Meer eine grosse Kehrichtgrube. Abfall an bester Wohnlage – versteh einer die Einesyler!

Einen besonderen Zwischenhalt wollen wir doch erwähnen. In Bulancak, kurz nach Ordu, werden an der wunderschönen, grossen Sarayburnu Moschee die letzten Arbeiten erledigt. Ein Gast im Restaurant gegenüber lädt uns zum Tee ein und weil der Projektverantwortliche vor Ort ist, bekommen wir eine exklusive Führung durch den imposanten muslimischen Sakralbau. Neben der Grösse, die Moschee gehört zu den imposantesten ihrer Art in der Türkei, faszinieren die speziell marmorierte Steinverkleidung und die Steinmetzarbeiten am Eingang. Unsere Führer sind sichtlich stolz auf den durch Spenden finanzierten Bau. Wir können sie gut verstehen.   

Nach zwei Radtagen rollen wir in der Hafenstadt Trabzon, knapp 250´000 Einw., ein. Drei Tage Türkei bleiben, dann geht’s in Georgien weiter.

Zur Not geht auch ein Zeltplatz hinter einer Windschutzwand.
Zur Not geht auch ein Zeltplatz hinter einer Windschutzwand.

Auf dem Weg ans Schwarze Meer

Kayseri, die pulsierende Bezirkshauptstadt der gleichnamigen Provinz in Kappadokien (mit Vororten 1,3 Mio. Einwohner), liegt hinter uns. Nach und nach verändert sich die Landschaft, wird karger, weniger grün, leicht flacher, nur unsere Strasse bleibt eine Autobahn, wie gehabt. A propos Strassen: So schön und gastfreundlich die Türkei ist, für uns Radfahrer hat das Land eine unschöne und ärgerliche Kehrseite, nämlich der Abfall neben den Strassen und speziell die vielen Glasscherben auf der Strasse. Zu kaufen ist Efes, das süffige türkische Bier, nur in wenigen Läden oder überhaupt nicht – Muslime trinken keinen Alkohol  – aus dem Autofenster geschmissen werden aber jede Menge (Bier)Flaschen. Hoffentlich bringen uns die Scherben Glück und keine zerschnittenen Reifen.

Am Himmel zeigen sich mehr und mehr Wolken, der Wind wird kalt, bläst uns meist kräftig vor sich her, zwischendurch gibt’s böige Seitenhiebe. Immer schön aufpassen und auf alles gefasst sein, so wird’s nie langweilig beim Fahren.

Sultanhani, die zweitgrösste Karawanserei (ummauerte Herberge an einer Karawanenstrassen, Reisende konnten dort mit ihren Tieren und Handelswaren sicher nächtigen und sich mit Lebensmitteln versorgen) in der Türkei liegt am Weg. Der imposante Bau, vor über 800 Jahren erbaut, wirkt wie ein Fremdkörper inmitten der wenigen einfachen Häuser und löchrigen Strassen. Uns beeindrucken die riesigen Räume, wo einst Menschen und Tiere auf der Seidenstrasse sicheren Unterschlupf fanden. Wenn Säulen erzählen könnten . . . Wir sind die einzigen Gäste, geniessen eine exklusive Besichtigung und zum Schluss einen Kaffee mit  unserem Führer, der im Ruhrpott gearbeitet hat und etwas Deutsch spricht. Im Sommer muss hier oft der Teufel los sein.

Nach und nach gewöhnen sich unsere Muskeln an die Arbeit beim Fahren, der Hintern schmerzt täglich weniger und die Puste reicht länger, um auch giftige kurze Anstiege zu pedalen. Wir fühlen uns prima. Gewitter und Gegenwind? Was soll´s, wir nehmen es, wie es kommt.

In Sivas nutzt Pit den Pausentag um den Benzinbrenner zu reinigen und Bea macht grosse Wäsche. Unterhalt muss sein.

Die Stadt besitzt einen schön gestalteten Platz mit einer Moschee und zwei alten, schiefen Türmen aus der Mongolenzeit (erbaut im 12. Jahrhundert), farbig verziert mit Keramikkacheln. Ein Bijou zum Verweilen und Cay trinken, nicht nur für Türkinnen und Türken.

Wir stocken unseren Nuss- und Dörrfrüchtevorrat auf, geniessen Köfte und Kebap im Wissen, dass uns eine harte Woche bis ans Schwarze Meer bevorsteht. Im Dunst grüssen nicht mehr so ferne Berggipfel und auf der Karte sind diverse Passübergänge eingezeichnet. Nicht wahnsinnig hoch, aber die Anzahl wird das Salz in der Suppe werden.

Nach Zara geht’s rasch zur Sache, d.h. kräftig bergauf und zwischendurch – leider – einige Abschnitte bergab. Geminbeli Gecidi, 2010 m, steht auf der Karte. Wenn das so weiter geht . . . Und dann der erste Platten. Ein klitzekleiner, fieser Draht hat Bea´s Hinterreifen die Luft gestohlen. Rasch den Schlauch wechseln und weiter, am Himmel stürmen schwarze Wolken hinter uns her, Donnergrollen in der Ferne. Mit ersten Tropfen und böigem Wind ist die Passhöhe erreicht. Den Helm festziehen und nichts wie runter vom Berg. Blitze und heftiger Regen machen uns Beine. Schade um die rassige 33 km-Abfahrt nach dem langen Anstieg. Bis Susehri hat sich das Wasser jeden möglichen Weg durch Regenjacke und -hose gesucht. Wir finden eines der beiden Hotels doch noch (aber absolut keinen Laden, in dem Efes zu kaufen wäre), unterziehen den Badezimmerföhn einem Dauertest mit dem Ergebnis, dass am folgenden Morgen Kleider, Schuhe, Handschuhe usw. trocken sind. Not macht immer erfinderisch.

Kleine Strassen ab Mesudiye nach Gölköy, so wie wir das lieben.
Kleine Strassen ab Mesudiye nach Gölköy, so wie wir das lieben.

Gemäss Höhenkurven auf dem Navi ist klar. Die Strecke Susehri - Ordu am Schwarzen Meer ist äusserst kurvenreich, in der Waagrechten aber ganz besonders in der Senkrechten. Ein Dessert, das uns etliche Schweisstropfen und diverse Liter Wasser kosten wird. Besonders bleibt uns die Strecke als überaus reizvoll und landschaftlich hammermässig in Erinnerung. Die ersten 35 Kilometer windet sich die vierspurige Strasse durch ein grünes Flusstal, eingezwängt zwischen rostrot und ockerfarbigen Bergen, bevor sie nach Köyulhisar steil ansteigt und sich nach einigen Kilometern auf zwei Spuren verengt. Nach einer ruhigen Zeltnacht und bei Sonnenschein erreichen wir gegen ein Uhr mittags endlich mit 1750 m ü.M. den höchsten Punkt. Abfahrt durch Wald und etliche Baustellen mit ganz übler Strasse auf 1000 m, dann wieder hoch auf 1490 m, den Harcbeli-Pass. Puhh . . . Beine und Velos werden immer schwerer. Zu allem Übel beschert uns die Abfahrt nach Gölköy Nebel von der dichtesten Sorte. Wir tasten uns von Kurve zu Kurve, umkurven möglichst alle Löcher und Wellen und sind froh, dass es nur wenig Verkehr hat. Gemäss Navi sollten wir die Kleinstadt Gököy bald erreicht haben, da sticht uns unvermittelt beissender Geruch in die Nase und vor uns auf der Strasse tauchen mindestens ein Dutzend Hunde auf, die sofort zu bellen anfangen. Aha, die Müllkippe der Stadt. Wir lassen die Räder abwärts rollen, schreien die Biester an und sind weg, bevor weitere Vierbeiner auf dem Müll begreifen, was läuft. Zwei Kurven weiter - uns bleibt nichts erspart heute - treiben Hirten und Hunde eine grosse Schafherde  bergwärts. Dann, endlich, Gölköy. Ein Provinznest, ca. 5000 Einw. (bitte verzeiht, lieber Gölköyer), wie wir es noch kaum erlebt haben. Tief in einem Talkessel, enge, steile Gassen, unverputzte Häuser, Abfall, Hunde und unwahrscheinlich hilfsbereite und neugierige Einwohner.

Der Besitzer des einzigen Hotels im Ort kommt eine halbe Stunde später, derweil werden wir im Caybistro und Männertreffpunkt um die Ecke zu Tee, Kaffee und Hefekringeln eingeladen. Unser Hab und Gut samt Velos wird von helfenden Männerhänden in den ersten Stock getragen, wir sind nur Zuschauer. Einmal mehr grosse Hilfsbereitschaft, trotz fast unüberwindlicher Sprachprobleme. Ein intensiver, kräftezehrender Tag geht bei strömendem Regen zu Ende. 79 km und 1150 Höhenmeter haben uns geschafft.

Zwei Dutzend neugierige Augenpaare verfolgen am Morgen gespannt das Beladen der Räder. Zwei Jahre zuvor seien schon mal Radfahrer in Gölköy abgestiegen, wird uns mit Gesten mitgeteilt. Touristen verirren sich wohl kaum in den Ort; wir sind DIE interessante Abwechslung im sonst langweiligen Nest.

Noch 65 km ans Meer nach Ordu. Diese Küstenregion ist geprägt durch eine Strauchfrucht, die wir Schweizer gerne mit Schokolade umhüllen, der Haselnuss. Auf sämtlichen Berghängen rundum reiht sich Haselstrauch an Haselstrauch. 75% der Welt-Haselnussproduktion kommen von hier. In Gürgentepe bestellen wir einen Teller traditionelle Corba (türkische Linsensuppe mit einem Spritzer Zitronensaft – sehr fein!), für den Durst stellt uns der Kellner Buttermilch neben die Teller. Zwei Gläser Tee runden das Mittagessen ab. Den Cay offeriert der Dorflehrer vom Nebentisch, Corba und Getränke der nette Wirt Hazhim. Tesekkürler!!

Ordu – blau grüsst das Schwarze Meer! Nach einer intensiven Woche freuen wir uns auf zwei Tage Pause. Dann geht’s nach Trabzon im Osten.

 

Prima Unterkünfte: Sivas, Hotel Sultan; Susehri, Hotel Su Vadi; Gölköy Bahu Otel; Susehri – Ordu, sehr schöne Route mit einigen Höhenmetern aber wenig Verkehr.

Interessantes Kappadokien und eine unruhige Nacht

Die Strassen auf unserer Route sind ausnahmslos in einem super guten Zustand. Meist vierspurig und richtungsgetrennt legen sie sich als breites Band über die nur dünn besiedelte hügelige Landschaft Anatoliens. Wir fahren zwischen 900 und 1400 m ü.M entlang riesiger sattgrüner Felder, die zur Zeit in grossem Stil künstlich bewässert werden. Regen wäre den Bauern sehr willkommen, wir verzichten gerne darauf. Ausserhalb der Städte macht der wenige Verkehr keine Probleme. Weil sich die Verkehrsinfrastruktur fast ausschliesslich auf leistungsfähige Fernstrassen beschränkt, ist der Schwerverkehr mit grossen Sattelschleppern aber immer gegenwärtig. Dass jeder zweite Fernfahrer mit kräftigen Hornstössen grüsst, mit Vorliebe direkt beim Überholen, daran gewöhnt man sich rasch. Trotzdem, lieber würden wir Nebenstrassen nehmen und durch Dörfer kurven als darum herum. Alternativen finden sich im Moment kaum und wenn, dann bedeuten sie grosse Umwege. Spätestens in Georgien wird das anders.

Schwieriger als gedacht, ist das Finden von geeigneten Plätzen zum Zelten. Wald, der Sichtschutz gewährt, gibt es praktisch nicht und die grossen Felder sind für uns tabu, sowieso weil überall gearbeitet wird. Dann kann es eben so gehen, wie vergangenen Samstag. Nach langem Treten auf und ab und erfolglosem Suchen nach einem Lagerplatz finden wir kurz vor Avanos an einem Fluss doch noch ein idyllisches Plätzchen. Super, wir sind glücklich und schlagen das Zelt etwas abseits der Zufahrtsspuren und vorhandener Feuerstellen auf. Solche Plätze sind am Wochenende nicht ideal, auch Türken picknicken gerne. Trotzdem, wir hoffen auf Ruhe und einen ungestörten Schlaf. Zu früh gefreut. Es ist fast finster, Pit wäscht sich gerade am Fluss, ziehen Scheinwerfer über das Ufer, Autotüren schlagen, kurz darauf kreischt eine Motorsäge, ein Baum fällt. Wir ziehen uns in Zelt zurück, löschen die Lampe und warten ab. Besser erst mal nicht auf sich Aufmerksam machen. Als ein grosses Feuer auflodert, laute Musik aus dem Autoradio ertönt und offenbar getrunken wird wissen wir, das wird kein kurzes Intermezzo. Also abwarten und die Kleider erst mal nicht ausziehen. Kurz vor Mitternacht schrecken wir aus dem Halbschlaf hoch. Schüsse fallen, erst einzelne, dann eine ganze Salve. Wir rutschen etwas tiefer in die Schlafsäcke. Dann, so unvermittelt wie der Spuck begonnen hat, sind die beiden(?) türkischen Spitzbuben mit dem Auto verschwunden. Die restliche Nacht bleibt ruhig, Gott sei Dank. Wir haben es gewusst, nun am eigenen Leib erfahren: Lagerplätze, die mit dem Auto erreichbar sind, sind ungeeignet und wenn möglich zu meiden. Wieder etwas dazu gelernt.

Immer wieder faszinierende Ausblicke auf eine weite Landschaft.
Immer wieder faszinierende Ausblicke auf eine weite Landschaft.
Wir treffen den Dorfmuezzin, der 1972 den Zugang zur unterirdischen Stadt in Özkonak gefunden hat.
Wir treffen den Dorfmuezzin, der 1972 den Zugang zur unterirdischen Stadt in Özkonak gefunden hat.

Mit dem Kleinstädtchen Avanos am Kizilirmak, dem längsten Fluss der Türkei, ist ein Zwischenziel erreicht. Wir fühlen uns hier gleich wohl. Touristen gibt es nur wenige, im Gegensatz zum bekannten Göreme und seinem Nachbarort Ürgüp. Kappadokien ist eine einzigartige Vulkanlandschaft, vor allem bekannt durch seine in den weichen Tuffstein gehauenen Höhlenwohnungen. Die ersten sind vermutlich schon vor 5000 bis 6000 Jahren entstanden. Es gibt unterirdische Städte, in denen mehrere tausend Menschen wohnten und die bis 19(!) Stockwerke in die Tiefe reichen. Längst sind nicht alle vermuteten Siedlungen gefunden worden. In Özkonak, nördwestlich von Avanos, fand der Dorfmuezzin 1972 beim Graben auf seinem Acker den Zugang zu einer unterirdischen Stadt, die inzwischen teilweise freigelegt ist und besichtigt werden kann. Sie ist möglicherweise die grösste unterirdische Siedlung in Kappadokien und soll zu ihrer Blütezeit ca. 60´000 Einwohner beherbergt haben.

Fasziniert bestaunen wir Wohnräume, Vorrats- und Weinkeller, ganze Klosteranlagen und frühchristliche Kirchen im Tuffstein. Wir bewundern Gewölbe einiger Kirchen, es soll über 3000 Gotteshäuser geben, viele mehr als 1000 Jahre alt, die wunderbar ausgemalt und sehr gut erhalten sind.

Der Abstecher nach Kappadokien hat sich gelohnt und zwei Tage Pause für Besichtigungen sind natürlich viel zu kurz.

 

Avanos, kleines hübsches Städtchen in Kappadokien, wenig Touristen im Frühling; Hotel Duru, toller Blick über die Stadt, www.hotelduru.com. Özkonak, 15 km nordwestlich von Avanos, sehenswerte Höhlenstadt. Zelve, südlich von Avanos, interessante Höhlenwohnungen, bis 11.00 wenig Touristen. Imposante Karavanserei in Sultanhani, sehenswert, www.de.wikipedia.org/wiki/Sultanhanı_Kervansaray. Überland-Tankstellen bieten öfters sehr einfache, günstige Zimmer an. Übernachtungsmöglichkeiten sonst eher rar.

Alle Taschen sind verpackt. Wir sind fix und foxi.
Alle Taschen sind verpackt. Wir sind fix und foxi.

Auf und davon

Endlich fertig gepackt – und erst noch die Gewichtslimiten für den Flug nach Ankara eingehalten. Wir haben unsere Velos tip-top in den Radschachteln verstaut, die Velotaschen in den praktischen Riesenbags eines schwedischen Möbelhauses gestapelt und verklebt und sind optimistisch (oder hoffen zumindest), dass der Transport mit der Türkisch Airlines sicher klappt. Mit Fahrrädern fliegen ist so eine Sache. Transportschäden gibt es leider immer wieder, davon können diverse Fernradler in Lied singen. Kartonschachteln und viel Schnur gibt es noch mehr zu sehen auf dem Flug  nach Ankara. Unser Sperrgut passt da prima dazu – Türkei, wir kommen!

Allerdings ist bei der Aufgabe der Velos am Flughafen Zürich bereits fertig mit lustig. Die Schachteln sind zu hoch, passen nicht in das automatische Flughafen-Transportsystem. So geht das nicht, erklären die beiden Angestellten und verlangen das Zurückschneiden der Schachteln auf die vorgegebenen 90 Zentimeter. Geht nicht, die Velos sind mit den Spiegeln und Lenkern nun mal so hoch. Nach einigem Hin und Her geben sie sich geschlagen. Die beiden müssen die Velos mit dem Lift transportieren, was ihnen offenbar stinkt. Ihnen sei das im Grunde sowieso Wurst, vielleicht kommen die Räder erst einen Tag später in Ankara an. Uns ist das natürlich überhaupt nicht Wurst. Immer positiv denken.

Wir dürfen unser Zelt im Grillhaus aufstellen.
Wir dürfen unser Zelt im Grillhaus aufstellen.

Ein Problem kommt selten allein. Stunden später verpassen wir in Istanbul unseren Weiterflug wegen der schlecht organisierten Passkontrolle. Mehr als hundert drängelnde, auf die Uhr schauende und die Augen verdrehende Reisende werden von einem einzigen Beamten seelenruhig abgefertigt. Erst kurz bevor wir endlich an die Reihe kommen, bequemt sich ein Kollege an den zweiten Schalter. Zum Glück geht das Umbuchen auf den nächsten Flug eineinhalb Stunden später problemlos und speditiv. Endlich, gegen 23 Uhr landen wir in Ankara und wenig später – super – erscheinen unsere Gepäcktaschen auf dem Band. Sogar die Veloschachteln, oder was davon noch ganz ist, holen wir am Sperrgutschalter ab. Zum Glück haben die Räder die Reise ohne Schaden überstanden, was wir erst am anderen Morgen im Hotelzimmer feststellen. Ein hilfsbereiter Türke organisiert einen Van (nicht ganz billig) für den Transport zum Hotel am Stadtrand von Ankara. Nach einem kalten Efes kriechen wir am Dienstagmorgen gegen zwei Uhr völlig geschafft ins Bett. Was für ein Tag – einfach nur noch schlafen.

Die 270 Kilometer bis nach Avanos in Kappadokien sind ein ewiges Auf und Ab, nie steil, aber kräftezehrend allemal. Mit der Kondition ist es, wie gesagt, nicht mehr weit her und der Hintern schmerzt trotz sorgfältigem Einsalben in den ersten Tagen gehörig. Dafür erfahren wir hier in Zentralanatolien einmal mehr die herzliche Gastfreundschaft und grosse Hilfsbereitschaft der Türken. Noch in Ankara helfen uns der Chef und seine Angestellten in der kleinen Motorradwerkstatt bei der korrekten Befestigung der Lenkertaschen und beim Pumpen der Reifen. Mehr als eine halbe Stunde Arbeit kostet keine Lira. Es wäre eine Beleidigung für sie. Zu einem Cay sind wir sowieso eingeladen. Tags darauf, wir geniessen ein türkisches Morgenessen, gibt uns ein netter Herr vom Nebentisch seine Telefonnummer mit der Aufforderung, ihn bei Schwierigkeiten in der Türkei unbedingt anzurufen. Er sei für uns 24 Stunden erreichbar. Einmal reicht uns eine ältere Frau spontan feines türkisches Fladenbrot über den Gartenzaun, wenig später lädt uns ein Strassenarbeiter zum Tee ein und meint, das Mittagessen in der Baubaracke sei gleich fertig, wir sollen doch bleiben und Übernachten könnten wir auf jeden Fall bei ihnen im Camp. Eigentlich wollten wir bei einem Bauernhof nur unser Zelt aufschlagen. Für eine Nacht sei das OK, gibt uns die Bäuerin zu verstehen. Sie kann kein Englisch, wir kein Türkisch. Zwei Stunden später kommt der Bauer vom Feld und bevor wir recht begreifen, sitzt Pit mit ihm bei seinen Schafhirten am Lagerfeuer und Bea darf sich mit Frau und Kindern nach dem Nachtessen eine Seifenoper am TV ansehen. Selbstverständlich dürfen wir am nächsten Morgen nicht ohne Morgenessen mit der Familie abfahren. Das sind nur einige der tollen Begegnungen in der ersten Woche auf dem Rad. Einladungen abzulehnen ist unheimlich schwer. Würden wir sie aber alle annehmen, wir wären wohl erst auf halbem Weg nach Kappadokien.