Velofahren im Jahr 2557

Für das stolze Alter von 600 Jahren hat sich Pit im Velosattel gut gehalten, und Bea mit drei Jährchen mehr in den Beinen kann problemlos mitstrampeln. Hut ab vor uns selber! Wir fahren tatsächlich im Jahr 2557 buddhistischer Zeitrechnung auf die thailändische Hauptstadt zu.

Die happigen Buckel (Bea) liegen hinter uns, zu schwitzen geben die Etappen trotzdem weil wir seit Wochen tollstes Fahrradwetter während der jetzt „kühlen“, trockenen Jahreszeit geniessen. Hä, kühl mit bis zu 35 Grad? Fahren viele Thais darum bei der Hitze vermummt und teilweise mit Handschuhen Motorrad, als wenn es Winter wäre, während wir fast auslaufen? In der heissesten Zeit des Jahres muss die Affenhitze hier in Thailand für uns Langnasen schier unerträglich sein. Wir werden im neuen Jahr noch in diesen Genuss kommen.

Schöne Parkanlage in Ayutthaya. Uns hat die kleine Stadt, 70 km nördlich von Bangkok, sehr gefallen.
Schöne Parkanlage in Ayutthaya. Uns hat die kleine Stadt, 70 km nördlich von Bangkok, sehr gefallen.

Nach wie vor lassen wir die grossen Verkehrsachsen aussen vor, geniessen lieber einsamere Strecken mit wenig Verkehr, bummeln durch kleine Dörfer, schlagen uns dafür mit vielen Herumtreibern auf vier Pfoten, die meist faul in der Sonne liegen, herum. Ab und zu versuchen einige ihren Mut an uns und rennen bellend-schnappend hinterher. Zwei Jahre Erfahrung mit den Überall-Hinscheisser-Kläffkötern helfen uns, ihr Mütchen rasch zu kühlen. Wir verstehen nicht, warum Thailand so eine riesige Anzahl frei laufender Hunde toleriert, noch dazu viele krank, nicht wenige an Räude leidend. Sie pissen an Gemüsekisten, scheissen hinter Garküchen, betteln beim Essen im Restaurant und liegen ungestört mitten im Hoteleingang. Das Thailand gefällt uns nicht. Wenn wir Bello wären, wir würden in dieses südostasiatische Land auswandern. Ungestörtes Dösen in der Sonne, genug zu fressen, Liebe ohne Einschränkung, schnappen nach Radfahrerwaden – welch ein Hundeleben!

Riesig auch die Anzahl der buddhistischen Tempelanlagen (Wat) im Königreich; mehr als 30´000 sollen es sein. In jedem Dorf fahren wir an opulent verzierten, golden glänzenden Gebäuden inklusive Krematorium vorbei. Alle Altersschichten beten, meditieren, bringen Opfergaben dar; orange gekleidete Mönche spenden den Segen. Der König repräsentiert auf lebensgrossen Abbildungen mit ernster Miene die weltliche Macht.

Uns schwirrt der Kopf bei so viel Glanz und Gloria. Tempel, Tempel, Tempel . . .vorerst ist Schluss mit Besichtigungen. Uns bleibt diese prunkvolle Welt voller Personenverehrung und -anbetung fremd.

Bindenwarane können bis drei Meter lang werden.
Bindenwarane können bis drei Meter lang werden.

 

Neben Tigern, Leoparden und anderen Katzen, die man kaum je zu Gesicht bekommt, gibt es in Indochina Bindenwarane, die gut zwei Meter lang werden können. Die ersten Begegnungen am Strassenrand erschrecken uns midestens so wie die Echsen. Unvermittelt tauchen die Köpfe im Gras auf, wittern und mit Getöse verschwinden die Reptilien im Gebüsch. Eineinhalb Meter lang waren die Tiere bestimmt. Velofahrer sind auch Naturentdecker.

Angebaut wird auf den weiten, fruchtbaren Ebenen – wie könnte es anders sein – vor allem Reis. Daneben die Wurzelknolle Maniok (Wikipedia sei Dank wissen wir nun, zu was die grossen Stauden gehören. Thailand ist viertgrösster Produzent der stärkehaltigen Wurzel), Zuckerrohr und Mais.

Auf den Märkten wird neben bekanntem Gemüse Grünzeug angeboten, das uns fremd ist, wir aber gerne mal probieren würden. Leider finden wir beim Mittagshalt in den kleinen Strassenrestaurants wenig Abwechslung, vor allem fehlt uns Gemüse auf dem Teller. Huhn, Schwein und Rind vom Grill, alles mit gleicher roter Einheitspaste bestrichen, lauwarm serviert, weil vorgegrillt (ein Ablöscher), dazu Reis. Vielleicht mal eine Nudelsuppe zur Abwechslung oder ein Curry. Schade, langsam wird das Essen eintönig; die grossen Gemüseportionen der Chinesen fehlen uns.

Trotzdem, die Küche der Thais mögen wir sehr, mit etwas Suchen findet sich abends immer etwas Leckeres(Scharfes für Pit), jetzt in Bangkok sowieso.

 

Bangkok – wir sind angekommen!

Das Jahresziel ist erreicht, wir sind gesund und ohne Pannen in die Hauptstadt Thailands, mitten in den „Kuchen“ geradelt.

9´480 km mit dem Fahrrad, ca. 4´500 km per Zug und Bus sind wir gereist; in den acht Monaten haben sich 103`800 Höhenmeter aufgetürmt. Fünf Platten gab es zu flicken, vier davon bei Bea. Ansonsten haben unsere Reiseräder von Aarios die Tour ohne Macken überstanden. Neun Länder sind zu den bisher 25 dazu gekommen. Die Seidenstrasse mit dem Velo fahren, das war der Traum – er ist Wirklichkeit geworden.

Nach zwei Jahren on Tour ist der Rucksack mit Erlebtem schwer geworden, drückt auf die Erinnerungen. Wir haben erfahren, dass mit dem Fahrrad unterwegs sein sich grundsätzlich vom üblichen Reisen unterscheidet. Nicht das Besuchen und Ansehen von Sehenswürdigkeiten steht im Vordergrund, sondern das Erleben, Erfahren, sich Einlassen auf ein Land mit all seinen Fassetten, oft abseits der ausgetretenen Besucherwege, sich viel Zeit nehmen dürfen. Frei sein vom Druck, in zwei oder drei Wochen möglichst viele touristische Highlights abklappern zu müssen. Der Weg ist unser Ziel.

Eindrücke und Empfindungen in einem Land können sich daher völlig von dem unterscheiden, was andere Reisende dort erlebt haben, das ist auch gut so. Wir geben unsere Erlebnisse und Eindrücke auf der Homepage so wieder, wie wir sie erlebt haben, also immer subjektiv.

 

Herzlichen Dank für die vielen langen und kurzen Mails, sie sind wichtige Begleiter und Anker auf der Tour durch die Welt geworden.

 

Wir wünschen allen Mitreisenden erholsame Festtage und einen guten Start ins 2015.

Bis bald, Bea und Pit

Velothailand

Ab sofort heisst es für uns auf der linken Strassenseite fahren. In Thailand herrscht Linksverkehr. Seit Anfang Dezember 2014 kurven wir durch das schöne Königreich zwischen Laos, Myanmar (Burma) und Malaysia, schätzen die vorzügliche Küche und lassen uns die Gastfreundschaft der Thais hier im Norden gefallen. Treten wird zum Genuss, nicht nur weil Berge allenfalls noch Hügel sind, kleine Nebenstrassen zum Bummelfahren einladen und Möglichkeiten zum Einkehren zahlreich sind – das gute, kalte Bier und der vorzügliche Kaffee sind Spitze! - sondern auch, weil die Thailänder rücksichtsvoll Auto fahren. Für viele Europäer ist das tropische Land in Asien, DAS Bade-Ferienland unter der Sonne schlechthin. Wir waren noch nie in dieser Ecke der Welt und lernen erst mal das interessante Hinterland abseits der bekannten Touri-Destinationen im Süden kennen, was uns ganz recht ist.

Trotz aller Superlativen ist uns bewusst, dass im Land immer noch Kriegsrecht mit Versammlungsverbot herrscht. Wir bemerken kaum etwas davon, allenfalls die Checkpoints, die täglich zu durchfahren sind, könnten damit zu tun haben. Nie werden wir angehalten, etwas Harmloseres als Tourenvelofahrer gibt es offenbar nicht.

Der Mekong fliesst bei Chiang Khong, an der Grenze zu Laos, zügig gegen Süden.
Der Mekong fliesst bei Chiang Khong, an der Grenze zu Laos, zügig gegen Süden.

Die angefahrenen Mega-Städte der letzten Monate wirken in unseren Köpfen noch nach; wir haben im Moment keinen Bock auf verstopfte Strassen, Lärm, Gestank und Massentourismus, lassen darum grössere Orte links liegen. Bangkok wird uns noch früh genug mit allem eindecken, was Velofahrer „lieben“.

König Bhumibol Adulyadej, bereits seit 1946 Staatsoberhaupt, feiert am 5. Dezember seinen 87. Geburtstag, den die Thais im ganzen Land feierlich und mit grossem Aufwand zelebrieren. König Bhumibol und seine Frau, Königin Sirikit, werden hochverehrt und sind auf Bildern überall präsent. Sehr speziell für uns, das mitzuerleben. Wir Schweizer haben nur unseren Schwingerkönig, der allenfalls auf Werbewänden für Autos aus Fernost oder Schweizer Teigwaren wirbt und (meistens) nach vier Jahren aus dem Amt geworfen wird. Andere Könige waren in der Schweiz nie gut gelitten.

Bis nach Tak am Mae Nam Ping, nahe der burmesischen Grenze, treten wir überwiegend auf dem breiten Expressway Richtung Süden. Auf der guten Strasse mit dem komfortablen Seitenstreifen lassen sich in kurzer Zeit viele Kilometer abstrampeln; der Erlebnisfaktor ist aber gering und bald stellt sich Langeweile ein. Zeitdruck zwingt uns den Kompromiss auf. Wir wollen/müssen vor Weihnachten in der Hauptstadt sein um die weitere Reise vorzubereiten. Trotzdem, für die verbleibende Woche auf dem Rad bis Bangkok tüfteln wir an einer Alternative auf kleinen Strassen entlang des Flusses Mae Nam Ping. Es wäre jammerschade, die schöne Landschaft nur aus dem Augenwinkel wahrzunehmen und kaum Zeit für einen Schwatz und ein Bier zu haben.

Zu schaffen macht uns die schwüle Hitze ab dem Mittag. 33 Grad und mehr sind es rasch mal; wären die Veloschuhe in unseren Packtaschen Filets, niedergaren wäre problemlos möglich. Holländische Radfahrer die wir kennen, z.Z. mit dem Velo in Bishkek, Kirgistan, unterwegs, bekommen beim Zeltaufbau bei -23 Grad klamme Finger und eiskalte Füsse. Thailand ist uns lieber.

Im Moment bleibt das Zelt im Sack; das Übernachten, ob im Guesthouse, Hotel oder im kleinen „Hüttli“ ist günstig und Möglichkeiten gibt es genügend, freies WiFi ist sowieso Standard.

Der 8. Dezember macht ein spezielles Maas voll: nach siebeneinhalb Monaten auf dem Velo tragen wir 100´000 Höhenmeter in die Statistik ein. Die Beine fühlen sich tatsächlich nicht mehr so leicht an, wie Ende April in der Türkei. Es ist uns recht, das Velo in Bangkok für gut drei Wochen in eine Ecke stellen zu können.

Gerne lassen wir uns tagtäglich von der Fröhlichkeit der Thais anstecken. Kurzes Hupen zum Gruss, ein erhobener Daumen oder gespendetes kühles Wasser in der Mittagshitze – weil Thailänder in der Freizeit gerne aufs Rennvelo steigen, haben wir als Langzeitfahrer bei vielen offenbar einen Stein im Brett.

Auch andere Radfahrer auf Tour treffen wir wieder mehr an. Mit Yves, einem gebürtigen Belgier, seit mehr als 30 Jahren in den USA lebend, essen wir in Ban Pong Din zu Mittag. Franzi und Jan aus Deutschland fahren über Myanmar nach Indien; Jocelyn und ihr Vater Michael aus den USA, mit denen wir zwei Tage pedalen, sind vor fast zehn Monaten in Marokko gestartet. Die Zeit mit ihnen war interessant und kurzweilig. Good luck and all the best, Jocelyn and Mike! (FatherDaughterCyclingAdventures.com)