Genussfahren pur an der Westküste der Südinsel!
Über den Lewispass zurück nach Christchurch
325 Kilometer sind es für uns via Lewispass bis nach Christchurch. Die Route über diesen Alpenübergang von der West- an die Ostküste ist länger, dafür nicht so steil wie der weiter westlich gelegene Arthurspass, wie man uns versichert. Wie auch immer, wir geniessen das ruhige Fahren entlang dem Greyriver auf der Atarau Road, die parallel zur stärker befahrenen SH7 verläuft; der leichte Nieselregen ist kaum der rede wert. Ab Reefton steigt die Strasse stetig an, doch wer dabei bereits an den Lewispass denkt, irrt, dem wird vor Springs Junction mit einer rassigen Talfahrt erst mal gut zweihundert Höhenmeter abgeknöpft. Dann also nochmals von vorne. Nach einer heissen Schokolade treten wir kräftig in die Pedale, der dunkle Himmel gefällt uns ebenso wenig wie der Verkehr, der ab Springs Junction stark zugenommen hat. Unglaublich, wie viele Kajaks, Motorboote, teure Jachten und Mountainbikes die Kiwis mit PS-starken SUV’s von der Ost- zur Westküste und umgekehrt über die Berge karren. Warum kann nicht jeder an seiner Küste „böötle“? Die Hälfte der Autos und manch rücksichtsloses Überholmanöver bliebe uns erspart. Irgendjemand hat mal gemeint, die Neuseeländer seien sehr umweltbewusst, weil sie den Müll trennen würden (stimmt längst nicht immer, wie wir wiederholt erleben). Bei einem Spottpreis von 68 Rappen pro Liter Diesel fällt es schwer, ein bisschen grün zu werden.
Solche Hinweise sehen wir immer wieder. Was wollen sie damit sagen? Bürgt für besondere Qualität? Oder „Neuseeländer, berücksichtigt Einheimische und nicht die lästige ausländische Konkurrenz“? So was in der Richtung gab es in Europa schon mal . . . In keinem bisher bereisten Land ist uns Derartiges aufgefallen. Auf unserem Kontinent undenkbar.
Für uns wird’s ernst. Der Pass begrüsst mit Donnergrollen und Gewitterregen und weil unser DOC Camp ein paar Kilometer unterhalb des Übergangs liegt, muss das Regenzeug raus. Der Regen bleibt uns bis am nächsten Morgen treu. Wir stopfen alles in die Taschen, das Zelt tropfnass wie es ist, und schwingen uns ohne Morgenessen in die Sättel. Pit mag die „Küche“ bei dem Pissewetter nicht auspacken.
Hanmer Springs mit seinen heissen Quellen, Wandertrails und den nahen Skipisten im Winter ist bei Einheimischen, vor allem aus dem Raum Christchurch, wie Touristen sehr beliebt. Der Ort liegt idyllisch am Rand einer Ebene, leicht erhöht, umgeben von Bergen und am Rand des Hanmer Nationalparks.
Natürlich sind die Preise entsprechend. Uns zieht es in das Dorf, weil hier eine gute Einkaufsgelegenheit mit dem Four Square zu finden ist und wir unsere Ausrüstung am folgenden sonnigen Tag trocknen können. Toll, endlich sind die Berge rundum wieder mal zu sehen! Und noch schöner bei der Abfahrt von Hanmer: Wind, Wind, Wind . . . aber diesmal von hiiiinten!! Die 80 Kilometer bis Waipara sind ein Zuckerschlecken, das wir nicht nur wegen der tollen Landschaft sehr geniessen. Dass unsere Räder auch grosse Gänge haben, hatten wir fast vergessen.
Mit der Ankunft in Christchurch schliesst sich unser Kreis auf der Südinsel. Nach fast drei Monaten ist das Endziel erreicht, nun heisst es abermals die Ärmel hochkrempeln, waschen, putzen, fegen und Kartonschachteln für unsere Räder finden. Am 31. fliegen wir nach Brisbane, Australien.
Neuseeland ist für uns aus verschiedenen Gründen kein Radfahrerland, wie wir es mögen. Trotzdem, das Land mit seinen tollen, abwechslungsreichen Landschaften, weiten Sandstränden und steilen, meeresumtosten Klippen, Regenwäldern und weiten Hochebenen zu erfahren und am eigenen Leib zu spüren, mit welchen Kapriolen das Wetter aufwarten kann, ist ein spezielles Erlebnis. Beim Vorbereiten war zu lesen, dass man in Neuseeland an einem Tag auf alle Jahreszeiten gefasst sein muss – wie wahr!
Wir haben viel erlebt und viel gesehen, wo man nur mit dem Fahrrad hinkommt. Dafür sind etliche, als „must“ in den Reiseführern vermerkte Top-Highlights unter den Tisch gefallen, ohne dass wir das Gefühl hätten, etwas verpasst zu haben. (Zu viele Touristen, zudem sind Führungen und Ausflüge grösstenteils sauteuer, was uns, nicht aber die ein paar Wochen Reisenden stört.)
Tolle Westküste, viel Kommerz und ein toller Schlusspunkt mit dem West Coast Wilderness Trail
Unsere Erwartungen werden voll erfüllt; das Fahren entlang der Südlichen Alpen gegen Norden ist abwechslungsreich und die Natur breitet vor uns alles aus, was Neuseeland so speziell macht. Mal undurchdringlicher düsterer Regenwald mit mächtigen pflanzenüberwucherten Bäumen, dann, unvermittelt, offenes Land mit weiten Kuhweiden, durchbrochen von glasklaren Bächen und breiten Flüssen. Nur ab und zu wird uns ein Blick auf die Alpenkette mit ihren verschneiten Gipfeln gestattet, meistens verhüllt sie sich mit grauen Wolken und Nebelschwaden.
Die glitzernden Lakes Moeraki und Paringa liegen gut von Wald beschützt neben der Strasse und wir sind einmal mehr dankbar, diesen abgelegenen Teil der Welt mit den Velos geniessen zu dürfen.
Am Lake Paringa.
Die Idylle nimmt dann in Fox Glacier und dem dreissig Kilometer weiter liegenden Franz Josef ein vorläufig jähes Ende. Alle fünf bis zehn Minuten steigen Hubschrauber knatternd auf und fliegen Touristen zu den gleichnamigen Gletschern rund um den Mt. Cook. Hier wird das Eis in den Bergen so intensiv vermarktet – für 75 Franken kann man den einfachsten Flug schon buchen - wie wohl kaum irgendwo sonst. Man gewinnt den Eindruck, dass es nur hier und sonst nirgends auf der Welt Gletscher zu bestaunen gibt. Auf jeden Fall scheint das Angebot bei den Touris zu verfangen. Besonders interessant: die Gletscher liegen im Westland- und Mount Cook-Nationalpark. Für Kiwis ist das kein Problem. Wir stellen uns vor, was wäre, wenn von Grindelwald aus alle zehn Minuten ein Helikopter ins Roselauigebiet lärmen würde, oder noch krasser, von Zernez aus über den Schweizer Nationalpark zur Gruppe rund um den Ortler. Würden wir wild zelten und uns dabei erwischen lassen, wäre eine Busse von 200 Dollar fällig (no toilet, no camping). Wie oft sind wir schon an Autowracks vorbei gefahren, die irgendwo in der Wildnis vor sich hin rotten und vielleicht Oel verlieren. In Neuseeland sieht man das nicht so eng.
Eine Nacht in Fox genügt, das lästige Geknatter nahe beim Zeltplatz geht gehörig auf die Nerven.
In Franz Josef kriegen wir nur mit grosser Mühe ein (teures) Cabine. Das Wetter soll viel Regen bringen, was es dann auch tut. Wir sind froh um das Dach über dem Kopf. Auffallend sind die vielen zahlungskräftigen asiatischen Gäste (nicht nur hier in Franz Josef). Wir sind sicher, dass alle restlichen chinesischen Touristen, die nicht in der Schweiz unterwegs sind, hier in Neuseeland Ferien machen.
Von Ross nach Greymouth haben die Kiwis einen besonderen Radfahrerleckerbissen geschaffen, den West Coast Wilderness Trail, der in einem Loup am Lake Kaniere vorbei durch den Kawhaka Forest nach Kumara und von da der Küste entlang nach Greymouth führt. Nahezu 135 Kilometer gute kurvenreiche Schotterwege, bis auf wenige steile Rampen moderate Steigungen, grandiose Abschnitte in dichtem Wald auf kleinen verwinkelten Wegen, fern ab von Siedlungen. Selbst mit unseren schweren Rädern ist der Trail gut zu fahren und auf halber Strecke, bei „Cowboy Paradise“, finden wir eine einfache Unterkunft. Vor allem die Strecken durch den dichten Wald beim Lake Mahinapua und am Morgen des zweiten Tages nach dem Kawahaka Pass sind absolut genial! Natur pur, schöner und abwechslungsreicher könnte sie kaum sein! Das viele Auf und Ab fordert, ab und zu geht es nur mit Schieben weiter.
Auf dem Trail sind ausser zwei Schweizern mit viel Gepäck nur einheimische Mountainbiker unterwegs (wie wir vermuten). Jeden Tag begegnen uns massenhaft Autos mit Bikes, jetzt wissen wir, wo die hinfahren. Die Kiwis karren die Räder zu den schönsten Abschnitten, pedalen ein paar Kilometer, treten den gleichen Weg zurück, verladen die Räder und ab geht’s nach Hause. Kleine, einfache, bescheidene Bikerwelt. Verständlich, dass wir uns von oberschlauen Dickbäuchen im Papageiendress blöd anquatschen lassen müssen, ob wir nicht zu viel Gepäck dabei hätten. Nein, Neuseeland ist tatsächlich nicht die Welt, liebe Kiwis.
Der Top 10-Campingplatz in Greymouth ist genau unsere Kragenweite. Der grosse Run mit vielen Touris und übervollen Zeltplätzen scheint vorbei zu sein. Wir bekommen ein einfaches Cabine zu vernünftigem Preis und bleiben gleich drei Nächte. Langsam geht unsere Zeit hier in Kiwilanden zu Ende. Ende Monat fliegen wir nach Brisbane.
Über Mittelerde an die Westküste
Auf der Route von Te Anau an die Westküste der Südinsel, bekommen wir gleich zu Anfang einen besonderen „Leckerbissen“ unter die Räder, wenn die Tipps von diversen Radfahrern und Einheimischen stimmen. Nach eineinhalb Stunden auf der 94 mit viel Verkehr, biegen wir auf die Schotterstrasse, die nach 85 Kilometern am Lake Wakatipu endet. Und wirklich, auf einen Schlag ist unsere Velofahrerwelt in Ordnung. Nur das Knirschen der Räder über die recht gute Gravelpiste begleitet uns; der Verkehr ist auf ein Auto alle zehn Minuten geschmolzen, allerdings „fressen“ wir an diesen zwei Tagen eine Unmenge Staub, weil die Einheimischen auch hier nur wiederwillig Rücksicht auf zwei Velofahrer nehmen und mit Tempo überholen. Trotzdem, besser trocken eingepudert pedalen als sich bei Regen durch klebrige Pappe kämpfen. Das Wetter bleibt die nächsten Tage sonnig und warm, von oben haben wir also nichts zu befürchten.
Die Mavora Lakes liegen eingebettet in dichtem Wald, ein paar Kilometer abseits in einem Seitental, in dem vor Jahren Filmsequenzen für den Fantansie-Kassenschlager „Herr der Ringe“ nach dem Roman von J. R. R. Tolkien abgedreht wurden. Der Wald von Mittelerde mit seinem weichen Moosboden und den mächtigen alten Bäumen, an denen armdicke Lianen wie Taue hängen, wirkt unheimlich, und einige Male werden wir das Gefühl nicht los, von neugierigen Hobbits irgendwo zwischen den Wurzel beobachtet zu werden. Der Doc Camping, den wir wählen (einfacher Zeltplatz, meist ohne Trinkwasser aber mit einer öffentlichen Toilette, 6 $ pro Nase, die in einem Briefkasten zu deponieren sind), liegt unter Bäumen wunderschön direkt am See. Pit taucht erst mal in den klaren See (nach dem Bad nicht mehr klar) – welche Wohltat nach der Staubtour!
Das Fahren bis Walter Peak am Lake Wakatipu ist landschaftlich etwas vom Schönsten, das wir bisher in Neuseeland unter die Räder genommen haben. Grandios das weite Tal, fast für uns allein, wären da nicht Kühe mit ihren Kälbern, die vor Schreck mit erhobenen Schwänzen reissaus nehmen. Ach ja, Mountainbiker sind ebenfalls unterwegs. Die Teilnehmer der organisierten Tour werden mit Kleinbussen zum schönsten Abschnitt gekarrt, jagen dann wie eine Schafherde dem Leithammel hinterher, für Seitenblicke bleibt kaum Zeit. Kurz vor Walter Peak holen wir den Tour Guide, der den Schluss macht, ein, bei ihm ein junges, etwas pummeliges Girl, das sich verbissen vorwärts kämpft und vermutlich nicht so rasch wieder für eine Biketour zu überreden ist. Wir geniessen das entspannte Fahren und unvermittelt liegt der tiefblaue See vor und die schöne Tour leider schon fast hinter uns. Dank einem fulminanten Schlussspurt schaffen wir es noch gerade auf das Dreiuhr-Dampfschiff nach Queenstown. Der drittletzte Tag im Jahr und Hochsaison, ob es mit einem Zeltplatz im modänen und bekannten Touristenort klappt? Mit Geduld und dank einer hilfsbereiten Lady an der Reception, ergattern wir buchstäblich beim zweiten Zeltplatz, bei dem wir fragen, den letzten freien Flecken für unser Zelt. Nicht idyllisch, ist uns aber für eine Nacht wurscht!
Die meisten Campingplätze, die wir in Neuseeland besuchen, sind gut unterhalten und sauber. Praktisch immer gehört eine Küche, mal mit mal ohne Geschirr und Kochtöpfe, sowie ein Aufenthalts- und Essraum dazu. Waschmaschinen und Tumbler sind eh Standard. Was uns sauer aufstösst und immer wieder zu Diskussionen führt, ist, dass viele Gäste (männliche wie weibliche, nota bene) in den Toiletten und in der Küche eine Sauerei zurücklassen, die auf keine Kuhhaut geht. Für viele gilt das Motto: nach uns die Sintflut! Schade, mit ein paar wenigen Handgriffen wären die Teigwaren im Abfluss, der Rasierschaum am Waschbecken und die Spuren in der Toilettenschüssel weggewischt. Und das sind noch die geringsten Aufreger . . .
Wir verlassen Queenstown anderntags nicht ungern. Trubel und Schickimicki ist nicht unsere Sache, sowieso, weil alles überteuert und der Service meist schlecht ist und die Freundlichkeit zu wünschen übrig lässt. Kennen wir bestens aus heimischen Landen.
Auf dem Zeltplatz in Cromwell kommen wir mit der jungen sympathischen Heidrun aus Deutschland ins Gespräch, die mit dem Rad auf der Südinsel unterwegs ist. Weil alles passt und wir uns viel zu erzählen haben, beschliessen wir spontan, morgen gemeinsam nach Wanaka zu pedalen und dort den Jahreswechsel zu feiern. Die Strecke entlang dem Lake Dunstan weist nur wenige Steigungen auf und der Verkehr hält sich in Grenzen. Hier am See führt die Strasse durch grosse Weinberge, die, wie wir vermuten, erst vor wenigen Jahren angelegt wurden. Wunderschön, die Blicke über das glitzernde Wasser bis zu den hohen Bergen in der Ferne. Natürlich ist in Wanaka ebenfalls der Teufel los und nur dank zureden und einer gehörigen Portion Charme der beiden Frauen, bekommen wir doch noch einen Platz für die Zelte. Nach einem fürstlichen Nachtessen – Spaghetti an einer Broccoli-Lachssauce à la Heidrun, unterlegt mit einem guten weissen Tropfen – lassen wir das alte Jahr mit Feuerwerk hinter uns und begrüssen das neue ohne grosses Tamtam, weil ziemlich müde. Zum Glück ist der Schlafsack nicht weit.
Nur ungern lassen wir Heidrun anderntags in den Bus zurück nach Queenstown steigen; sie wäre sowieso viel lieber weiter mit uns gefahren. Heidrun, wir sehen uns in Germany und holen die Tour nach!
Die zwei Tagesetappen über den Haastpass an die Westküste der Sündinsel sind mittelschwere Kost, aber von der anderen Seite - besonders die letzten zwölf Kilometer bis zum Pass – wäre das Brot hart für uns gewesen, weil arg steil (sehr happig, Bea). Toll ist das Fahren durch den dichten Regenwald allemal und landschaftlich bietet die ganze Strecke durch die Berge einiges. Hier im Süden sind viele Tourenradfahrer unterwegs; wir geniessen den einen oder anderen Schwatz und erhalten noch dazu viele Tipps zur Strecke an der Westküste. Der Haast River, jetzt ein kleiner, sehr klarer Fluss, füllt vor dem gleichnamigen Ort an der Küste fast das ganze Tal aus. Nach dem vielen Geröll und Holz zu schliessen, muss der Fluss bei Hochwasser mit ungeheurer Wucht über die Ebene schiessen. Die Rolle übernimmt jetzt der stürmische Wind, der den feinen Sand hoch aufwirbelt und uns auf dem Zeltplatz über Stunden einen Sandsturm beschert. Zelt, Taschen, Fahrräder, wir von Kopf bis Fuss, einfach alles ist eingestäubt. Noch Tage später haben wir (vermutlich) mit den Folgen zu kämpfen und husten uns den Staub aus den Lungen. Alles egal, wir sind an der Westküste. Auf nach Norden!
Ganz in den Süden
Bis in die südlichste Stadt Invercargill wollen wir weitgehend an der Küste fahren, auf kleinen Strassen, möglichst weg vom lärmigen State Highway 1. Die Strasse ist als schöne Strecke mit vielen sehenswerten Highlights bezeichnet und soll wenig Verkehr aufweisen, also genau das, was wir suchen.
Nach Dunedin rollen wir bald dem Meer entlang, das hier mit langen Brechern an der Steilküste nagt, die immer wieder von malerisch weissen, weiten Sandbuchten unterbrochen wird. Schon von fern ist das Tosen der schäumenden Brandung zu hören - Musik in unseren Ohren. Grandios schön! Die kurvige Strasse verläuft kaum je flach und manche Steigung ist mit den schweren Rädern gerade noch zu treten. Alles wie gehabt. Allerdings war im Beschrieb nichts vom (Gegen)Wind zu lesen, der hier eine Stärke erreicht, wie zuletzt in der Taklamakan in China erlebt. Unsere Tageskilometer schmelzen wie Butter an der Sonne, allerdings ist es meist so beschissen kalt, dass wir keine Lust auf Zelten haben, sowieso, weil es fast jeden Tag zusätzlich noch regnet. Das volle Neuseeland-Sommerprogramm eben.
Kurz nach Papatowai, wir haben die ersten Höhenmeter in den Beinen, laden uns Inga und Tobias aus Trier bei ihrem Wohnmobil zum Kaffee ein. Herzlichen Dank für das Aufwärmen und den netten Schwatz! Die gute Stimmung hält an, bis neben Bea ein Strassenwischfahrzeug mit zwei jungen Arbeiterinnen im Blaumann hält, die ihr mit deutlichen Worten klar machen, dass sie gefälligst ganz am Strassenrand zu fahren habe und ihre Schwenker bei den heftigen Windböen für die Autofahrer(!!) gefährlich seien. Alle paar Minuten überholt uns ein Auto, sonst ist hier am A. . . der Welt, ausser dem heftigen Wind, nichts los. Also kein Problem, den beiden kämpfenden Radfahrern in grossem Bogen auszuweichen. Bea gibt ihnen eine entsprechende Antwort. Gut hat Pit das nicht mitbekommen, er hätte den Damen noch ganz anderes in die Ohren geflüstert. Das ist uns wirklich noch nie passiert. Hier in Neuseeland ist Rücksicht auf der Strasse für viele ein Fremdwort. Zum Glück sind Rüpel (vielleicht sind manche nur „simpel gestrickt“?) auf der Strasse in der Minderzahl.
Die Curio Bay, 80 Kilometer vor Invercargill, dem südlichsten Punkt der Südinsel, wartet mit besonderen Leckerbissen auf: hier kann man den seltenen Gelbaugen-Pinguin und den kleinsten Wal, den Hector Delphin, der nur maximal 150 cm misst, beobachten. Die spielenden Delphine kommen in der malerischen Sandbucht bis nahe ans Ufer, für Touris ein besonderes Spektakel, die flinken Schwimmer so nah zu erleben. Pinguine sehen wir leider keine.
Wir haben Glück und finden im kleinen Ort ein hübsches Cabine für die Nacht. Der Hausbesitzer ist nicht da, hat aber einen Zettel an die Scheibe geklebt, dass man ruhig einziehen darf und später bar bezahlen kann. Wir schätzen so viel Vertrauen.
Auf der letzten Etappe gibt’s zum Frühstück zuerst 15 km Schotterpiste. Eigentlich kein Problem, allerdings ist die Strasse erst vor ein paar Tagen erneuert worden, der Schotter also noch nicht fest gefahren, was das Vorwärtskommen mit den Velos zum Kraftakt macht. Dafür ist die Landschaft mit den vielen Schafweiden grandios. 32 Millionen der Wolleträger weiden in Neuseeland, das nur 5,5 Millionen Einwohner auf einer Fläche von sechsmal der Grösse der Schweiz hat. Jeden Tag beobachten uns tausende Augenpaare äusserst aufmerksam, und wehe nur eines der Blööker gibt Fersengeld, dann gilt für die übrigen nur eins: auf und davon! Immer wieder ein Brüller.
Wie im Norden kann man hier im Süden mehr als hundert Kilometer pedalen, ohne auf eine Siedlung zu treffen. Wir tun gut daran, immer einen Notvorrat in den Taschen zu haben. Und wenn es dann doch mal so etwas wie ein Dorf hat, dann gibt es drei Briefkästen und eine Galerie. Mitten in der Prärie eine Galerie, wer braucht denn so was? Ein Brot wäre uns lieber, denn Bilderrahmen schmecken scheusslich und machen überhaupt nicht satt.
In Te Anau mieten wir uns über die Weihnachtstage vier Wände auf einem grossen, tollen Campingplatz, der über die Zeit sehr gut belegt ist. Der Ort am gleichnamigen See liegt 115 km vom berühmten Milford Sound entfernt, der zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Neuseeland zählt und am Rand des Fjordland Nationalparks mit seinen berühmten Tracks, vielen malerischen Buchten und schroffen Schneebergen liegt. Natur pur, das sich die Touris etwas kosten lassen. Wir staunen, wie locker hier Fr. 110.– (günstigstes Angebot) für eine Tour zum Milfordsound samt kurzer Bootsfahrt über den Tisch gereicht werden.
Das Pedalen auf dem Otago Central Rail Trail war Entspannung pur.
Unterwegs in Otago
Die Verwaltungsregion Otago im Südosten der Südinsel, mit dem Hauptort Dunedin, begeistert uns mit ihrer ursprünglichen, kargen, hügeligen Landschaft, immer wieder unterbrochen von weiten grünen Ebenen mit vielen Schafen und nur wenigen kleinen Siedlungen, wenn man eine Handvoll Häuser überhaupt so nennen kann.
Kurz nachdem wir Omarama verlassen, beginnt es zu regnen. Schade, für die Tour über den 971 m hohen Lindispass hätten wir uns Weitsicht gewünscht, nicht mit grauen, nassen Wolken verhüllte Berghänge und kalter Wind, der uns den Regen um die Ohren treibt, gerade so, wie es ihm passt. Trotzdem dürfen wir nicht klagen; das Wetter hätte uns in Neuseeland bisher weit übler mitspielen können. In Tarras, einem vier-Häuser-Kaff, schliesst das kleine Kaffee genau jetzt, als wir mit klammen Fingern vorfahren. Bis Cromwell keine Chance auf etwas Heisses für den Magen und natürlich nirgends ein Campingplatz. Wir fragen beim nächsten Haus, ob wir das Zelt in den Garten stellen dürfen – kein Problem, wir dürfen - und freuen uns auf eine riesengrosse Portion Spaghetti. Oha, die Bolognese Sauce entpuppt sich als Konserve mit Fleischfonds, nicht ein Krümel Hack oder Tomate drin. Zum Glück findet sich im Notvorrat eine Büchse mit Gemüsesuppe und etwas scharfe Salami und - schwupp di wupp – fertig ist die Spaghettisauce. Sooo guet, wie selten genossen!
Bei tollstem Wetter pedalen wir am nächsten Morgen am langen Lake Dunstan über Cromwell nach Clyde, zum Anfang des Otago Central Rail Trails, auf den wir uns schon lange freuen.
Auf dem Otago Central Rail Trail nach Dunedin
Gleich vorneweg: der 150 km lange Trail auf dem ehemaligen Bahntrassee ist etwas vom Schönsten und Erholsamsten das wir bis jetzt in Neuseeland gefahren sind. Die Bahnstrecke wurde 1990 nach weniger als 100 Jahren Betriebszeit wegen Unrentabilität eingestellt und seit November 1995 dient die ehemalige Geleiseanlage als erster Rail Trail Neuseelands für Radfahrer und Wanderer, der sich grosser Beliebtheit erfreut.
Viele lange und kurze Brücken und einige Tunnels machen die 150 km mit moderaten Steigungen zusätzlich attraktiv; der Schotterweg ist selbst für uns mit 30 kg Gepäck gut zu fahren und mit etwas Planung findet man am Abend einen Campingplatz.
Die ersten 10 km von Clyde nach Alexandra (da müssen wir natürlich unbedingt hin!) sind flach, dann steigt die Strecke an um bei Oturehua mit ca. 600 m ü.M. den hösten Punkt zu erreichen. Neben der wunderschönen Landschaft geniessen wir vor allem die Ruhe – einfach grandios, die lästige Strasse endlich mal beiseite zu lassen. Nur selten begegnen uns in den Tagen Radfahrer, die mit ihren gemieteten Mountainbikes geführt unterwegs sind oder zumindest einen Transportdienst beanspruchen (zu Anfangszeiten waren pro Jahr bis zu 80'000 Biker unterwegs, jetzt nur noch die Hälfte, dafür sind die Übernachtungspreise in die Höhe geschnellt). So treten – daran könnten wir uns gewöhnen.
Nach dem dürftigen Zeltplatz in Alexandra (in die Jahre gekommen und schlecht unterhalten) ist der in Omakau, nach einer gemütlichen 30 km Schlendertour, genau richtig um die Räder für einen Tag in die Ecke zu stellen. Am zweiten Abend herrscht gehörig Betrieb. Eine Schulklasse junger Frauen ist mit ihren Bikes angekommen und in der Zeltplatzküche wird es eng (vom Lärmpegel ganz zu schweigen). Kann man das wirklich (mit Genuss) essen? Kalte Spaghetti aus der Dose auf einer Scheibe Tost? Und das zum Frühstück am anderen Morgen? Guten Appetit, junge Damen!!
Wir lassen uns bewusst Zeit und verbummeln ganze vier Tage auf dem Trail bis Middelmarch, geniessen die Ruhe und das super Wetter, das Fahren abseits der Strasse und all die interessanten Infos am Wegrand. Der Weg ist das Ziel – hier gilt diese Aussage für uns ganz besonders.
Die Fahrt auf der 87 nach Mosgiel wird zum Abschluss ein harter Brocken. Wo die Chinesen eine Brücke bauen oder aufschütten würden, führt unsere Strasse auf und ab, gerade so, wie es der Landschaft gefällt. Drei Stücke sind so steil und der Wind bläst heftig von der Seite, dass Treten unmöglich wird. Man kann ein Rad auch schieben.
In Dunedin werden wir von Jan und Tochter Erica herzlich aufgenommen. Toll, dass wir drei Tage Pause machen dürfen.
Unterwegs auf der Südinsel von Neuseeland.
Einfach grandios!
Seit den schweren Erdbeben vom 4. September 2010 und 22. Februar 2011 mit 185 Toten hat Christchurch ein anderes Gesicht. Noch immer ist die Stadt eine grosse Baustelle, die man als Tourist rasch abhaken kann. Wir pedalen ohne Eile erst auf der Bundesstrasse 77 und dann auf der 72 über Mt. Somers, Geraldine, Fairlie, Lake Tepako, Twizel und Omarama weiter in den Süden. Ausser zwei Tagen mit Regen und immer mal extrem starkem Wind meint es das Wetter weiterhin gut mit uns, allerdings bleiben die Temperaturen nachts kalt. Wir kriechen meist früh in unsere Schlaftüten, nicht zuletzt der lästigen Sandfliegen wegen.
Vivien und George, herzlichen Dank, dass wir bei euch zu Gast sein durften!
Ab Geraldine tischt Neuseeland für uns auf, dass sich die Landschaftstische biegen. Kristallklare Bäche, die kitschig smaragdgrün leuchtenden Lakes Tepako und Pukaki, auf die der höchste Berg Neuseeland, der Mt. Cook (3764 m) majestätisch herunterblickt, kilometerweite karge Ebenen und überall grandiose Blütenteppiche mit Lupinen, die in einer nie vorher gesehenen Farbenvielfalt blühen. Einfach grandios! Wir beneiden die vielen Touris in ihren Wohnmobilen nicht, die aus Zeitgründen(?) von einem „Highlight“ zum nächsten hetzen, ja rasen müssen, um an möglichst vielen Orten gewesen zu sein.
Vor genau einem Monat sind wir in Neuseeland, das sechsmal so gross ist, wie die Schweiz, gelandet, haben 1200 Kilometer abgespult und 13'450 Hm erklommen. In dieser Zeit ist uns kein einziger Tourenradfahrer begegnet, was doch erstaunt.
Auf dem Zeltplatz von Twizel schwirrt uns der Kopf wegen der vielen Vorschriften und Verbote. Die schlecht gelaunte Betreiberin macht Bea mit Nachdruck darauf
aufmerksam, dass sie die Küche vor 22.00 Uhr zu verlassen hat, ansonsten hätte sie Pech und würde eingeschlossen. Noch alle Tassen im Schrank??!
100 km ausserorts und rücksichtslose, dumme Raserei vordern Opfer. Jeden Tag pedalen wir an dutzenden toten Tieren vorbei. Velofahren ist hier eine echte Herausforderung.
Warum Bus und Fähre fahren nervig sein kann, Neuseeland aber trotzdem keine Bananenrepublik ist
Mit dem Bus nach Wellington fahren hört sich einfacher an, als es ist, vor allem, weil zwei Fahrräder mit sollen. Grundsätzlich nehmen Überlandbusse Fahrräder mit, das ist das eine, das andere ist, dass die Busfahrer entscheiden, ob sie Velos mitnehmen wollen. Einen Tag vor der geplanten Fahrt nach Wellington bemühen wir uns bei der Touristeninformation in Taupo um Tickets für die sechsstündige Busfahrt. Der erster Bus am Morgen ist ausgebucht. Kein Problem, wir haben Zeit. Für den zweiten um 14 Uhr gibt es Fahrscheine, aber, und das ist der springende Punkt, ob unsere Räder mitkönnen, ist nicht sicher. Aber darum kommen wir ja einen Tag früher! Egal, in Neuseeland gibt es keine Möglichkeit, den Platz für Fahrräder zu reservieren. Auch wenn wir zwei oder fünf Tage später fahren, immer entscheidet der Busfahrer. Das haben wir wirklich noch nie erlebt, können kaum glauben, dass die Busunternehmen keine Reservationen hinkriegen. Vier Stunden stehen wir uns die Beine in den Bauch, demontieren Pedale und Vorderräder, stellen den Lenker quer und hoffen . . . mit breitem freundlichem Lächeln und viel Zureden schaffen wir den Absprung doch noch, dürfen im Bus mitreiten. Kiwis, unbedingt über die Bücher gehen, das könnt ihr viel besser!
Nach einer Nacht bei unseren Warmshowersgastgebern Dolores und Patrick – herzlichen Dank euch beiden für den herzlichen Empfang und das feine Nachtessen – und einigen Stunden warten am Hafen (Die Fähre ist ausgebucht, wir werden auf die Warteliste gesetzt, können dann zum Glück mitfahren.) verlässt das Schiff Wellington. Grandios ist die Fahrt durch den schmalen Queen Charlotte Sund. Malerische Buchten mit einzelnen Ferienhäusern, saftig grüne Wiesen, grasende Schafe, tiefblaues Meer und dann in einem Seitenarm das kleine Nest Picton. Dreieinhalb Stunden dauert die Fährfahrt. Nach einer Nacht auf einem von einer Schweizerin geführten Zeltplatz (ruhig, günstig, sehr sauber, mit Küche, Essraum, Computer und WiFi) pedalen wir auf dem Highway 1 nach Blenheim und weiter der Küste entlang.
Überall blühender Ginster.
Das Wetter hält sich wacker, wie wir auch. Jeden Tag starker Wind, mal von vorne, dann kräftig anschiebend von hinten oder tückisch von der Seite, aber bis auf einen Tag sehr kalt. So frische Temperaturen sind wir nicht mehr gewohnt. Am Lake Grassmere übernachten wir auf der Farm von Pit; wow, selten hat eine heisse Dusche so gut getan! Nachts gibt es Regen; das Zelt muss am Morgen nass in den Sack. Am zweiten Tag bläst uns der Wind dermassen frostig um die Ohren, dass wir die Kälte bis zum Schlafengehen nicht mehr aus den Gliedern kriegen; beim Nachtessen im kalten, primitiven Cabine wickeln wir uns die Schlafsäcke um, was wenigstens den Hintern wärmt. Die warmen Winterkleider liegen sauber gewaschen in der Heimat im Schrank.
Dafür wird der nächste Reisetag absolut genial. Nicht nur der warmen Temperaturen und dem flotten Rückenwind wegen, sondern weil es an diesem Küstenabschnitt viele neuseeländische Pelzrobben gibt, die bis zum Strassenrand in der Sonne liegen. Sie lassen sich beim Sonnenbaden kaum stören. Unsere Begeisterung kennt kaum Grenzen, vor allem, weil wir den grossen Tieren, die vor 120 Jahren fast ausgerottet wurden, an Stellen so nah kommen dürfen, an denen man nur mit dem Velo anhalten kann.
Überhaupt zeigt sich die Natur jeden Tag von einer neuen, interessanten, wilden, ursprünglich-faszinierenden Seite, typisch Neuseeland eben. Die Pflanzenwelt ist ein bunter Mix aus Bekanntem und Exotischem, wie wir es bisher nie erlebt haben. Eichen stehen neben Palmen, Kakteen blühen mit Margeriten, in den Gärten reifen Zitronen und Orangen neben Äpfeln und Birnen, Berghänge leuchten gelb vom blühenden Ginster und genau so riecht Kiwiland, mal süss-exotisch und nach der nächsten Kurve herb-würzig.
Wohnmobile sind jede Menge unterwegs, ansonsten hält sich der Verkehr in Grenzen, was aber nicht heisst, dass Velofahren immer Spass macht. Das alte Lied eben; es wird schnell und für uns zu nah vorbei gefahren. Vor allem die rücksichtslos überholenden Truckfahrer bringen Pit jeden Tag erneut auf die Palme.
Zu Besuch bei den Kiwis – Neuseeland, wir kommen!
Lange 13 Stunden dauert der Flug von Seoul nach Tokyo und weiter bis Auckland in Neuseeland. Das Einchecken der Fahrräder und des Gepäcks im modernen Flughafen Incheon ist bald erledigt; wir hoffen, dass es auch in Auckland keine Überraschungen bei der Einreise gibt, resp. die Ausrüstung den strengen Bestimmungen, was die Sauberkeit betrifft, genügt. Wegen des verspäteten Abflugs bleibt zum Flugzeugwechsel in Tokyo nur knapp eine halbe Stunde. Dank perfekter Organisation und Führung gelangen wir und zwei Dutzend andere Neuseelandreisende im Laufschritt ohne Umwege zur wartenden Boeing 787, die am frühen Abend die 9'000 Kilometer über den Äquator ans andere Ende der Welt unter die Flügel nimmt (hoffentlich sind die Velos an Bord). Erstmals reisen wir in die südlichen Hemisphäre, freuen uns wie Schneekönige auf das Kommende!
Nach einem ruhigen Flug mit ein paar kleinen Turbulenzen und atemberaubendem Sonnenaufgang über dem Südpazifik (und schmerzendem Hintern vom langen Sitzen) rollen wir am frühen Morgen auf dem Flughafen von Auckland aus.
Alles Gepäck ist unbeschädigt angekommen; wir stellen uns vor einem gesonderten Raum für die Inspektion an, warten was da kommt. Die freundlichen Beamten inspizieren nur das Zelt mit einem speziellen Biodetektor. Alles in Butter, wir sind entlassen, müssen weder die Fahrräder noch die Radtaschen zeigen. War die ganze mühsame Putzaktion in Seoul für die Katz? Nein, nach eineinhalb Jahren Touren hatte alles eh eine Reinigung nötig, inklusive einigen Ausbesserungen. Die aufgestellte Ordnerin erlaubt uns die Velos gleich neben dem Terminaleingang zusammenzubauen, räumt sogar Schachteln und Abfall weg – super, der Start in Kiwiland könnte kaum besser sein – wir fühlen uns willkommen im 39. Reiseland, 18'500 Kilometer von unserer Heimat entfernt!
Nach einem Ruhetag bei Warmshowers Sally und Dan – herzlichen Dank euch beiden für die gemütlichen Stunden und die interessanten Tipps – und einem Stadtbummel in Auckland, ziehen wir bei tollem Frühlingswetter endlich los. Vom herbstlichen Seoul direkt in den Frühling zu fliegen, ist für uns speziell. Überall zartes Grün, alles blüht und duftet, saftige Wiesen mit weidenden Kühen und Schafen wo wir pedalen. Neuseeland, schöner, lieblicher und sauberer als wir es erwartet hätten.
Alles andere als frühlingshaft sind die kühlen, ja kalten Temperaturen, die tagsüber trotz Sonnenschein mühsam die 18 Gradmarke erreichen und in der Nacht nahe null Grad fallen. Seit 40 Jahren sei es um diese Zeit nicht mehr so kalt gewesen, erzählt uns eine Frau. Der kalte Gegenwind aus süd-west macht das Strampeln gefühlt noch bibbriger.
Hier fahren wir auf dem Hauraki Rail Trail,
einem alten Eisenbahntrasse.
Die Gegend bis nach Taupo am gleichnamigen See, mitten auf der Nordinsel, erinnert an das Emmental, nur sind die Viehweiden weiter und die runden Bergkuppen weniger hoch, was aber nicht heisst, dass das Radfahren eine lockere Angelegenheit wäre. Die erste Woche fordert, oder macht sich die dreiwöchige Pause in Seoul bemerkbar? Die Strassen sind gut ausgebaut, meist übersichtlich und kommen ohne Brücken aus, was für uns heisst, es geht laufend rauf und runter, nie über lange Strecken, dafür öfter bissig. Der Verkehr tröpfelt und selbst auf dem berüchtigten nord-süd verlaufenden Highway 1, den man als Radfahrer unbedingt meiden sollte, so die Empfehlungen, ist überraschend wenig los. Drei Autos machen noch keinen Verkehr und fünf stehende keinen Stau. Tatsache ist aber, dass hier schnell gefahren wird und man als Velofahrer nicht darauf spekulieren sollte, dass nur ein Driver einen Millimeter vom Gas weicht. Wenn die achtachsigen Tiertransporter mit 100 km/h überholen – davon gibt es viele – wird man auf dem Velo ziemlich durchgeschüttelt. Nach den sehr rücksichtsvollen Japanern und zurückhaltenden Koreanern pedalen wir hier in einer anderen Welt.
Gefordert werden wir auch beim täglichen Suchen nach einem Zeltplatz. Auf unserer Route ist so gut wie jeder Quadratmeter eingezäunt. Wir wussten, dass wild Zelten schwierig wird, aber dass es praktisch unmöglich ist, ist doch überraschend. Überall Stacheldraht. Ja, es gibt Campingplätze, nur liegen die eher an den grossen Strassen, die wir, wann immer möglich, meiden. Erschwerend kommt dazu, dass viele Campgrounds nur Autocamper nehmen, Zelten ist nicht möglich. Gleich am ersten Abend machen wir die Erfahrung, dass angegebene Preise pro Person gelten. Fr. 30.- für einen Zeltplatz – nein, da ziehen wir rasch weiter, auch wenn wir gewaltig auf der Nase sind. Wie uns erzählt wird, sind die Zeltplatzkosten in Neuseeland innert weniger Jahre in die Höhe geschossen. Ob die Rechnung langfristig aufgeht? Als Velofahrer ist man hier sowieso ein seltenes Tier, der Tourismus ist ganz auf motorisierte Camper ausgerichtet. Unser Glück ist, dass die Kiwis sehr freundlich und hilfsbereit sind und uns auf ihrem Grundstück inkl. Toilettenbenützung übernachten lassen. Am dritten Abend meint der alte Sägereibesitzer, der uns einen Zeltplatz anbietet, wir sollen ruhig bei seiner Frau gegenüber anklopfen und duschen, falls uns danach sei. Und ob, das lassen wir uns nicht zweimal anbieten!
Was uns weiter überrascht ist, dass wir kaum je durch ein Dorf fahren. Ausser einzelne Bauernhöfe gibt es nichts, keinen Laden, kein Restaurant, nicht mal Wasser. Erstmals seit Reisebeginn kommt der Wasserfilter zum Einsatz, und das ausgerechnet in Neuseeland! Die weit verstreuten Siedlungen haben zur Folge, dass in den Supermärkten in den grösseren Orten Lebensmittel nur als Jumbopackungen zu haben sind. Aber was sollen wir mit 10 Bratwürsten und Bier im 12er Karton auf dem Velo? Im Big-size Format kommen auch viele Kiwis daher, vor allem Maoris, deren Vorfahren vor ca. 800 Jahren aus der pazifischen Inselwelt eingewandert sind, fallen uns als Übergrössen auf. Nie haben wir in so kurzer Zeit so viele XXXL-Formate gesehen, wie hier in Neuseeland.
Nach einem Pausentag in Taupo fahren wir mit dem Bus nach Wellington, an die Südspitze der Nordinsel, um dann auf der Südinsel Richtung Christchurch zu radeln.