Reisterrassen bei Batat, Banaue
Reisterrassen bei Batat, Banaue

Insel Luzon – unterwegs im Norden der Philippinen

Der Flugplatz von Tagbilaran auf Bohol – von einem Flughafen kann man beim besten Willen nicht sprechen – hat die minimale Ausstattung die es braucht, damit ein mittelgrosser Düsenjet starten und landen kann. Eine Flugpiste (sehr kurz), einen Abstellplatz, keinen Tower. Eine gute Flugstunde später auf dem Ninoy Aquino International Airport in Manila ist das ganz anders. Vom Terminal 4 zum Terminal 3 braucht man einen Bus oder ein Taxi. Wir haben genügend Zeit zum Umsteigen auf den Flieger nach Laoag, ganz im Norden von Luzon. Es wird schon dunkel, als wir mit einem Tricycles die sieben Kilometer in die Stadt brausen. Hier sind die Dreiräder mit Dach so klein, dass Bea die Luft anhalten und Pit seine Beine sorgfältig falten und buckeln muss, damit wenigstens noch ein Rucksack auf die Knie passt.

Die drei Stunden Fahrt im klimatisierten Bus nach Vigan (http://de.wikipedia.org/wiki/Vigan_City) sind kurzweilig. Philippinos rauchen viel, hier also wächst der Tabak. Gegen Vigan zu steht Mais entlang der kurvigen Strasse, der später von riesigen Reisfeldern abgelöst wird. Während der ganzen Luzonreise sehen wir zweimal einen kleinen Traktor stehen, sonst keinerlei landwirtschaftliche Maschinen.

Wer auf den Philippinen mit dem Bus reist, reist mit Verpflegung inklusive. Wir können durchs Fenster oder im Bus Esswaren und Getränke jeglicher Art kaufen. Süssigkeiten, gekochte Maiskolben, Frittiertes, Erdnüsse mit und ohne Schale, Früchte aller Art, frische Wachteleier, Gemüse und vieles mehr. Getränke gibt’s in Petflaschen, vorwiegend aber im Plastiksack(!) mit Trinkhalm. Funktioniert prima, gibt wenig Abfall und ist – vermutlich – erst noch billiger. Wir staunen immer wieder, wie rasch StrassenverkäuferInnen, Waren auf dem Kopf balancierend, an einer Kreuzung zusteigen, sich durch die Reisenden wühlen, anpreisen, abfüllen, einkassieren, den einen oder anderen Spruch fallen lassen und drei Strassen weiter wieder abspringen. Das wiederholt sich in jeder Stadt. Niemand fühlt sich gestört, stehend Reisende machen Platz, der Busfahrer hält an einer Strassenecke vielleicht etwas länger, ohne murren. Gelassenheit und alles nehmen wie es kommt, das wird in diesem sympathischen ostasiatischen Land jeden Tag gelebt. Wir sind gerne unter Philippinos.

Das kleine Städtchen Vigan ist so, wie im Reiseführer beschrieben. Alte, von den Spaniern erbaute Stadthäuser, gemütliche Gassen, ein sehens- und hörenswertes Wasserspiel am Abend im Park, Pferdekutschen, schöne Hotels und gute Beizen, wo man den Fisch vom Grill an Tischen auf der Gasse geniessen kann. So haben wir uns das vorgestellt. Leider gibt es auch die andere, hässliche Seite, besonders hier auf Luzon, die wir später in Manila am krassesten erleben. Armut unmittelbar neben grossem Reichtum. Nur einen Steinwurf von unserem Hotel entfernt, mitten in der Stadt, leben Familien in den Ruinen eines alten Hauses. Plastikplanen als Regenschutz, kochen über dem Feuer, Wäsche waschen auf vermülltem Lehmboden, Hühner in winzigen Käfigen, Hunde die nach Fressbarem suchen, Schmutz, Gestank. Uns wird freundlich, mit einem Lächeln zugewunken, so wie überall auf den Philippinen. Wie privilegiert wir doch als einfache Backpacker immer noch sind.

Der Bus nach Baguio füllt sich rasch. Wir stopfen Papiertaschentücher in die lästig kalt blasenden Düsen der Klimaanlage und lümmeln uns gemütlich in die Sitze. Sechs Stunden dauert die Fahrt, inklusive zwei Pausen. Rechts fällt der bewaldetet Hang steil und zerklüftet zum Meer ab. Sandstrand gibt es kaum, dafür scharfen Lavastein und klares Wasser, das rasch tief wird. Baguio, unser Zwischenziel, liegt in den Bergen auf 1450 m ü.M. Hier im Norden soll es nachts empfindlich kalt werden. Die Stadt erleben wir als lärmig, verstopft durch endlose Verkehrsschlagen, ohne Charme.

Bekannt und berüchtigt, windet sich der Halsema Highway von Baguio 142 Kilometer über weite, steile, bewaldete Bergflanken nach Bontoc auf 900 m ü.M. Der höchste Punkt, ein kleiner Pass, liegt auf 2250 m. Fünf Stunden dauert die Busfahrt, sie ist ein erster Höhepunkt unserer Luzonreise. Die Bergstrecke besteht nur aus Kurven, für empfindliche Mägen eine Tortur. Wie mit einem Messer in die steilen Bergflanken geritzt, kriecht die Strasse steil durch Weiler und unzählige terrassenförmig angelegte kleine Gemüseäcker. Sehr viel Weisskohl wartet auf die anstrengende Ernte von Hand. Schilder warnen vor Steinschlag, da und dort liegen grosse Brocken herum und nicht überall gibt es Leitplanken oder Mauern. Wir geniessen die abenteuerliche Kurvenfahrt bei Sonnenschein. Unser Fahrer steuert umsichtig und ohne zu rasen; er könnte ohne Probleme gleich als Postautochauffeur bei uns in der Schweiz anfangen. Wieder einmal sind wir die einzigen Touris im Bus. Im Internet wird der Halsema Highway in einem Eintrag zu den zehn gefährlichsten Strassen der Welt gezählt.

Nein, in Bontoc wollen wir nicht bleiben und nach Sagada, den bekannten Ort mit den hängenden Särgen, zieht es uns nicht. Banaue mit seinen imposanten Reisterrassen bleibt das Tagesziel. Kein Bus oder Jeepney fährt heute noch hin. Uns bleibt nur die Fahrt mit einem Taxi, für die der Fahrer 1500 Peso will (ca. 29 Franken). Gar viel für 20 km, wie wir meinen. Es wird dann eine gut zweistündige spektakuläre Fahrt über 43 Kilometer, auf einer steilen, teilweise nicht betonierten Fahrbahn, vorbei an Erdrutschen und abgebrochenen Strassenstücken. Uns begegnen nur wenige Autos. Nach einer Stunde halten wir unvermittelt an, der Fahrer schieb hinten einen Stein unter das Rad, schlägt die Lenkung ein und schnappt sich eine Flachzange, mit der er wortlos unter der Vorderachse verschwindet. Wir sehen uns an und hoffen, dass er das kleine Problem(?) im Griff hat. Das Ganze wiederholt sich eine Stunde später. Einige Kilometer weiter passieren wir die Stelle, an der am 7. Februar morgens gegen sechs Uhr ein vollbesetzter Bus von Manila kommend einen steilen Abhang hinunter gestürzt ist. Das Wrack liegt noch im Tobel, Effekten von Passagieren liegen im Geröll. 14 Tote hat das Unglück gefordert, darunter zwei Touristen.

Reisterrassen und Touristenrummel

Rund 10 Quadratkilometer umfasst das Gebiet mit den berühmten Reisterrassen, mitten drin die Kleinstadt Danaue als Ausgangspunkt für Erkundungstouren. (http://de.wikipedia.org/wiki/Reisterrassen_in_den_philippinischen_Kordilleren) Hier gibt es überraschend viele Touristen. Gleich bei der Ankunft werden wir in das Touristoffice gedrängt, wo wir uns registrieren „müssen“, zu unserer Sicherheit, wie man versichert. Natürlich nicht gratis, 20 Peso pro Nase sind fällig. Irgendwie fühlen wir uns übertölpelt, zahlen aber brav.

Mit Mühe finden wir ein sehr einfaches Zimmer (die WC-Spülung funktioniert wieder einmal nicht, keine Steckdosen im Zimmer) und stellen fest, dass für die Touren zu den Terrassen sehr aggressiv geworben wird. Uns ärgert besonders, dass wir keinen Schritt ohne einen Guide machen können. Wir buchen eine eintägige Tour und bleiben lediglich zwei Nächte. Danaue bleibt uns fremd.

Die Reisterrassen sind beeindruckend. Auf schmalen steilen Pfaden und über viele Treppenstufen – es sollen gemäss Führer 1350 sein – führt der Weg vom Jeepneyparkplatz durch lichten Wald, den kleinen Ort Patat und über schmale Mauerpfade durch die Reisterrassen bis zu einem hohen Wasserfall tief unten im engen Tal. Die Treppenstufen sind meist doppelt so hoch wie gewohnt, was gewaltig in die Knie geht und den Schweiss fliessen lässt. Wo ist unsere Kondition geblieben? Viele der Reisterrassen sollen 2000, manche sogar fast 3000 Jahre alt sein. Gewaltige Bauwerke, von Menschenhand geschaffen, teilweise bei einer Hangneigung von 70 Prozent.

Nicht alle Söhne und Töchter kehren nach der Ausbildung in den Städten hierher zurück, vielen alten Terrassen droht daher der Verfall, weil sie nicht mehr bewirtschaftet werden. Mauern und Teiche benötigen viel Pflege, eine beschwerliche Arbeit im sumpfigen Wasser. Mit dem Tourismus hoffen die Bewohner auf neue Einnahmequellen, was das Wohnen in den abgelegenen Dörfern wieder attraktiver macht.

In Manila treffen wir Elena, Oliver, Jakob und Arthur auf Veloreise.
In Manila treffen wir Elena, Oliver, Jakob und Arthur auf Veloreise.

Manila

Wenn wir schon auf Luzon sind, ist ein kurzer Aufenthalt in der 10 Millionen-Hauptstadt Manila ein Muss. Keine Ahnung, was uns erwartet. Bekannte haben uns gewarnt, ja auf Wertsachen, Geldbörse usw. acht zu geben. Wir haben die Stadt positiv erlebt und nie nur das geringste Gefühl von Angst empfunden. Man begegnet uns freundlich, neugierig und hilfsbereit. Erlebenswert ist Chinatown mit seinen bunten Tempeln, engen Gassen, lauten Märkten, kleinen Läden und chinesischen Restaurants. Und einmal mehr ziehen uns Friedhöfe an. Hier in Manila ist der chinesische Friedhof eine besondere Touristenattraktion. Gestaltet mit Strassen, Häusern, Tempeln, Schreinen und schönen Eingangstoren wähnt man sich in einer Stadt. Dass in manchen Grabmählern sogar Philippinos wohnen, macht die Anlage für uns vollends bizarr. Andere Länder, andere Sitten. Die Altstadt innerhalb der ehemaligen Festungsanlage Intramuros hat einige interessante Strassenzüge mit alten Kirchen und Gebäuden aus der spanischen Kolonialzeit. Auf der gepflegten Grünanlage rund um die Stadtmauern wird Golf gespielt, aber unmittelbar hinter dem hohen Maschendrahtzaun leben Menschen unter Gebüschen, umgeben von Abfall. Realer Alltag in Manila. An solche Anblicke werden wir uns wohl nie gewöhnen.

 

An unserem letzten Abend, wir kommen von einem langen Rundgang durch die Stadt auf dem Weg ins Hotel um eine Strassenecke, da stutzt Pit unvermittelt. Sind da nicht gerade Tourenradfahrer hinter parkenden Autos in eine Hoteleinfahrt verschwunden? Tatsächlich, eine Familie mit zwei kleinen Kindern, viel Gepäck und Anhänger, stehen im Hof. Pit hat das Gefühl, den Familienvater von irgendwoher zu kennen. Bea spricht die Frau an und fragt, ob sie Deutsche seien. Nein, sie nicht, aber ihr Mann, gibt sie uns zur Antwort. Da fällt bei Pit der Groschen. „Ich kenne dich und deinen Mann aus dem Internet, ihr ward doch die, die mit dem Rad im Winter durch Sibirien gefahren sind, bei tiefsten Minusgraden!“ platzt er heraus. Tatsächlich, vor Jahren, bei den Vorbereitungen für unsere grosse Tour, hat sich Pit regelmässig auf der Homepage von Terracirca (www.terracirca.de) bei Elena aus Kamtschadka/Russland und Oliver aus Leipzig umgesehen. Und jetzt treffen wir sie hier, in der Grossstadt Manila, auf den Philippinen, wo so gut wie keine Radfahrer und schon gar keine Tourenradfahrer unterwegs sind – ein schier unglaublicher Zufall! Wir sitzen zusammen, diskutieren, fragen und freuen uns am tollen Schlusspunkt unserer Luzonreise.

Alles Gute auf der Weiterreise, Elena, Oliver, Jakob und Arthur!