Hobart und weiter nach Westen
Bis in Tasmaniens Hauptstadt nehmen wir uns zwei Tage Zeit. Eigentlich wäre nach Triabunna Sorell das Tagesziel, wer eine Toilette und mindestens 10 l gebunkertes Wasser dabei hat, darf über Nacht auf dem Showground bleiben. Das Wasser würden wir hinkriegen, mit der Toilette auf dem Rad wird es schwierig. Also rasch einkaufen und 15 Kilometer weiter auf den Campingplatz an der Seven Miles Beach. Entgegen tollem Namen und guter Bewertung ist der Zeltplatz für uns ein Reinfall. Keine Ahnung, was Gäste an diesem Campground, ausser der grossen Campküche, toll finden. 35 $ für einen schattigen Dreckflecken ohne Gras und Strom, das tut weh.
Dafür landen wir in Hobart gleich zwei Supertreffer mit unseren Warmshowers-Gastgebern und staunen einmal mehr, wie selbstverständlich sie ihren Gästen Vertrauen entgegenbringen. Kein Problem wenn wir früher ankommen, der Haustürschlüssel liegt unter der Fussmatte. Richtet euch ein und nehmt erst mal eine Dusche, ich komme gegen sechs nach Hause und koche dann für uns Abendessen. Das die Nachricht, die uns per Mail erreicht. Zwei Nächte dürfen wir uns im schönen Haus an der Bucht von Hobart wohlfühlen, sind tagsüber alleine und das Internet ist absolut der Hammer. Einfach Obergenial! Die zweite Adresse, hoch über der Stadt, ist erst mal harte Arbeit. Gefühlte tausend Kilogramm schieben wir bei 20% Steigung schnurgerade den Berg hoch. . . sind oben erst mal fix und foxi. Wow! Das hübsche, gemütliche alte Haus, aber vor allem der traumhafte Blick über die Stadt mit dem funkelnden Meer weit unten, lohnt alle Mühen. Julia, herzlichen Dank für deine grosse Gastfreundschaft, wir haben uns in deinem schön renovierten, gemütlichen Heim sehr wohl gefühlt!
Obwohl uns die Zeit buchstäblich durch die Finger rinnt, wollen wir unbedingt noch ein paar Tage in den Bergen wandern, das ist in den letzten Jahren schlicht zu kurz gekommen. Und wo lässt sich das besser nachholen, als hier in Tasmanien.
Der südwestliche Teil Tasis ist sehr dünn besiedelt, die kleinen Ortschaften weitab der Zentren entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jh. entweder aus Holzfällerlagern oder es wurden (und werden noch) verschiedenste Erze, auch Gold und Silber, abgebaut. In den letzten hundert Jahren sind die von Menschenhand geschlagenen Narben nach und nach verschwunden, Regenwald und weites Busch- und Grasland legen sich auf hunderten von Quadratkilometern als oft undurchdringliche, grüne Decke über die unzähligen Hügel und Berge. Fast das ganze riesige Gebiet steht unter Naturschutz, aufgeteilt in diverse grosse und kleine Nationalparks, einige verzeichnet im Weltnaturerbe der UNESCO mit einer Gesamtfläche von 13'800 km2, also etwa einem Drittel der Schweiz. Einer der grössten mit 1612 Quadratkilometern ist der Cradle Mountain-St. Clair National Park; dahin zieht es uns. Aus Zeitgründen buchen wir den Bus nach Queenstown, 250 km westlich von Hobart. Räder und Gepäck sind bald im Anhänger des kleinen Busses verstaut. Wir geniessen die Fahrt durch die herbstlich farbige Landschaft, bis, ja bis unsere nette Fahrerin das Steuer auf halber Strecke an einen mürrischen älteren Typen übergibt, der uns gewaltig nervt. Wegen verspäteter Fahrgäste und einem vergessenen Gepäckstück versucht er die verlorene Zeit mit halsbrecherischem Tempo aufzuholen. Auf der bergigen, mit vielen Kurven gespickte Strasse, kann er den Bus oft nur mit Mühe auf der Strasse halten. Er rast wie ein Irrer! Bea ist wütend und sagt ihm das auch klipp und klar in Queenstown. Er zuckt nur mit den Schultern, meint, ihm hätte noch nie jemand gesagt, er sei ein mieser Fahrer und Raser und schliesslich dürfe er die Strasse mit 100 km/Std. befahren. Etwas Dämlicheres haben wir lange nicht mehr gehört. Wäre die Antwort ein nasser, dreckiger Putzlumpen, wir würden ihm den um die Ohren hauen! So ein alter Esel!
Wir haben erst mal die Nase voll vom Busfahren. Die nächsten drei Velotage in die Cradle Mountains werden zum entspannten Fahrvergnügen, doch nur was den Verkehr angeht. Steil hochkeuchen, zu kurz runterflitzen, schwitzend hoch, frierend runter, immerfort das gleiche, ab und zu hilft nur noch schieben, es nimmt kein Ende . . . auf was haben wir uns da eingelassen? Und dann noch Lebensmittel für vier Tage mitschleppen (ja, auch etwas Wein ist dabei); sind wir irre? Zum Glück hält das Wetter. Trotzdem uns die dunklen Wolken beinahe auf den Kopf fallen, bleibt es trocken. Ist es tagsüber schon kalt, wird es nachts richtig scheisskalt. Mickrige 4, 5 Grad lassen uns die Schlafsäcke über die Ohren und Bettsocken über die kalten Füsse ziehen, in der Hoffnung, dass anderntags wenigsten beim Morgenessen ein paar Sonnenstrahlen den Rücken wärmen und das Zelt trocknen helfen. Haben uns die vielen Monate im warmen Asien zu Weicheiern gemacht? Alles freiwillig und Radfahren kann sooo schön sein.
Ein ungebetener Tischgast
In Zeehan wurde bis zum grossen Grubenunglück 1912 (41 Arbeiter kamen bei einem Feuer unter Tage um) Blei- und Silbererz abgebaut. Wegen zu geringen Erträgen schloss die Mine in den 70er Jahren endgültig. Auf uns wirkt die kleine Siedlung verschlafen; von was die tausend Einwohner heute wohl leben? (um 1910 zählte Zeehan 10'000 Einwohner). Kann uns egal sein, es gibt einen Laden und vor allem einen Zeltplatz mit gemütlicher Campküche, mehr brauchen wir nicht. Wir lassen den grossen gusseisernen Ofen brummen und machen es uns auf den alten Sofas gemütlich; es ist uns sogar egal, dass wir wegen gesperrter Strasse (eine Autorallye lärmt durch die Wälder!) erst einen Tag später weiterpedalen können. Selbst Bea gerät wegen einer Ratte, die sich beim Essen neben sie auf(!) den Stuhl setzt, nur kurz aus dem Häuschen – vor Jahren hätte sie mindestens eine mittlere Herzattacke bekommen. Das junge Paar, das den Zeltplatz erst seit zwei Monaten führt, versteht es prima, uns und ein paar wenigen anderen Gästen für kurze Zeit ein gemütliches Zuhause zu schaffen.
Cradle Mountain-St. Clair National Park
Der Österreicher Gustav Weindorfer und seine Frau Kate waren vom Cradle Valley so begeistert, dass sie 1912 das rustikale Chalet „Waldheim“ im Tal bauten und beschlossen, sich dafür einzusetzen, dass die wunderschöne wilde Natur für alle Zeit zum Nationalpark erklärt wird. Wir können Gustl gut nachfühlen, das grüne Tal mit seinen klaren Seen, toll angelegten Wander- und Bergwegen, überragt vom zerklüfteten Mt. Cradle, begeistert. Bei tollem Herbstwetter sind viele Wandervögel unterwegs, einige nehmen mit ihren hoch bepackten Rucksäcken den sechstägigen Overland Track unter die Füsse. Von festen Bergschuhen mit Gamaschen, als ginge es auf eine Polarexpedition, bis leichte Turnschuhe, alles ist zu sehen. Kein Problem, das gut unterhaltene Wegenetz bietet für jeden etwas, man tritt sich nirgendwo auf die Füsse. Wir geniessen die drei Tage Wandern sehr. Ein genussvoller Abschluss unseres Tasmanien-Abenteuers.
Der Weg zurück an die Küste bei Devenport ist ein flotter Tagesritt auf dem Drahtesel, aber keineswegs nur Downhill, wie man uns vorher weismachen will. Wäre ja gelacht, würden wir etwas Neues anfangen.
Tasmanien – die Insel, auf der ein Teufel lebt
Die neun Stunden Fährfahrt von Melbourne nach Davenport nutzen wir als willkommene Ruhepause, fläzen auf unseren Kabinenbetten mit spannender Krimilektüre, nicken beim sanften Schaukeln ab und zu ein. Das Meer gebärdet sich ausserordentlich friedlich (das kann hier in der Bassstrasse ganz anders sein, wie wir hören), zwischendurch halten wir die Nasen in die Brise und fühlen uns, als würden wir mit Abel Tasman höchstpersönlich am Steuer die Insel Tasmanien entdecken. Pit wurmt einzig, dass er seine geliebten Äpfel beim Anlegen in Davenport doch noch in den Müll geworfen hat (korrekte Schweizer, die wir sind). Für die Insel ganz im Süden von Australien gelten zum Schutz der einheimischen Flora und Fauna - einige Pflanzen und Tiere wachsen, resp. leben nur auf diesem Eiland (also endemisch) - rigide Einfuhrbestimmungen. Kein Obst, kein Gemüse, weder Nüsse noch Fisch noch jegliche Art von Pflanzen sind erlaubt. Um das Schiff feuersicherer zu machen, werden unsere 8 dl Benzin für den Kocher beim an Bord gehen vorsorglich weggeschüttet. Wie viele tausend Liter Diesel und Benzin die Autos und Wohnmobile im Bauch der Fähre wohl in ihren Tanks gebunkert haben?
Warmshowers Gastgeber Tim, bei dem wir ein Bett für die erste Nacht gefunden haben, ist ein sehr grosszügiger Typ. Ein Ami und wir haben reserviert, später gesellen sich ein Japaner und ein Velofahrer aus Uruguay zu uns, die keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden haben. Ein spannender Abend mit Gleichgesinnten aus fünf Nationen; witzig: wir haben uns schon auf der Fähre getroffen, ohne zu ahnen, dass uns der Abend wieder zusammenbringt!
Die ersten Tage bis nach St. Helens an der Ostküste bieten uns kaum spektakuläres Tasmanien, ausser, dass alle hundert Meter(!) überfahrene Wallabys, Possums und Wombats am Strassenrand zum Himmel stinken (und das ist eher untertrieben). Über Stunden malträtiert der süssliche Verwesungsgeruch unsere Nasen. Noch weniger passt der viele Abfall entlang der Strasse in unser Tasmanienbild. Die Landschaft hat durchaus ihren Reiz, ist aber auswechselbar. Grün, hügelig, Rindviehweiden, Wald, alles gepflegt. Neuseeland, Norwegen, Schweden, die Slowakei, wir könnten irgendwo fahren. Déjà-vu. Zwei, drei Mal findet das Navi kleine Nebenstrassen oder Waldwege, echte Aufsteller; leider sind diese Leckerbissen immer zu kurz.
Dass es auf Tasmanien Berge hat, haben wir gelesen, aber gleich so viele? Abends kriechen wir mit schweren Beinen früh in die Schlaftüten, nicken über den ersten drei Seiten lesen ein, Abend für Abend das gleiche. So wird jedes Buch zum dicken Schunken ohne Ende. Die Tage sind kurz. Erst gegen halb Sieben wird es hell, abends ist es um die gleiche Zeit stockdunkel. Auch die Temperaturen sind jetzt im Herbst zusammengerückt. Tagsüber 18, 19 Grad, nachts mickrige 5 bis 7. Kein Wunder, ist das Zelt am Morgen eine Tropfsteinhöhle. Innen und aussen, alles nass.
Die Küstenstrasse bis Coles Bay gestattet einige herrliche Ausblicke auf weissen Strand und unglaublich türkisblaues, klares Wasser. Nach dem Osterwochenende mit viel Verkehr ist das Treten entspannter geworden. Die Strasse ist auf weiten Strecken schmal, weist keinen Seitenstreifen auf, da wird es schon mal eng. Trotzdem, bis auf wenige Ausnahmen achten die Autofahrer auf genügend Abstand, und kommt uns dann doch mal einer nah, sind es meistens Touris, nicht gewohnt, grosse Wohnmobile auf der linken Strassenseite zu steuern.
Im kleinen Nest Coles Bay dreht sich alles um den Fremdenverkehr. Cabines und Ferienwohnungen sind über viele Wochen ausgebucht; nur mit Mühe ergattern wir auf dem einzigen Zeltplatz einen einigermassen akzeptablen Rasenflecken für unser Zelt. Einmal mehr will man uns zuerst in die hinterste Ecke auf den dreckigsten Platz ohne Grün schicken. Eigentlich nicht unser Ding, solch überlaufene Orte. Wir finden Coles Bay erst mal nicht so cool.
Dafür ist die Hicking Tour durch den nahen Freycinet Nationalpark echt cool. Der steinige Pfad führt meist durch Wald und Buschwerk, nur entfernt ist die Brandung zu hören. Und dann, unvermittelt, liegt eine weite Bucht mit feinstem weissem Sand vor uns, glasklares Wasser, das in sanften Wellen am Ufer leckt, grosse und kleine Muscheln und weit draussen zieht tatsächlich eine Schule Delphine vorbei – soo kitschig, soo schön! Etwa so haben wir uns Tasmanien vorgestellt.
Maria Island Nationalpark
Ein wirkliches Highlight wird Maria Island, das von Triabunna aus mit der kleinen Fähre in einer Dreiviertelstunde angefahren wird. Die winzige Insel, Anfang 18. Jahrhundert Robben- und Walfängersiedlung, zwischen 1825 und 1832 Strafkolonie der Briten, ist seit 1972 Nationalpark. Neben sehr einfachen Unterkünften in alten Steinbauten gibt es einen Zeltplatz mit Wasser (muss abgekocht werden) und Duschen, aber keine Elektrizität (beim Zeltplatz), keine Einkaufsmöglichkeit und der Abfall muss wieder mitgenommen werden. Unglaublich, was der Bauch der Fähre an Rucksäcken, Lebensmitteln, Bierkartons, Wanderstöcken und Fahrrädern ausspuckt; mit unserem ganzen Bagage und Eingekauftem sind wir absolut bei den Leuten. Hauptsaison ist hier um Weihnachten, jetzt sind wir nur noch ein zwei, drei Dutzend Hicker und Velofahrer. Nur zu Fuss und mit dem Fahrrad kann die bergige Insel erkundet werden, das macht sie für uns nochmals anziehender. Zwei Tage keine Autos, kein Lärm, kein Gestank. Heute wohnen auf dem Eiland nur noch Parkranger und Tiere.
Maria Island begeistert gleich von Anfang an. Schon auf dem Weg zum Zeltplatz begegnen wir Cape Barren Gänsen, die im Süden von Australien heimisch sind, wenig später der erste Wombat, der sich nicht beim Fressen stören lässt. Diese knuddligen Beutelsäuger, die hier beim Eindunkeln zu Dutzenden die Erde nach Fressbarem umgraben und uns bisweilen mit ihren Knopfaugen argwönisch mustern, haben es uns besonders angetan. So unbeholfen die dicklichen, etwa einen Meter langen Pflanzenfresser wirken, so schnell können sie rennen, wenn Gefahr droht.
Auf ausgedehnten Touren mit dem Velo (ohne Gepäck!) erkunden wir die Insel an zwei Tagen, schlendern an einsamen Stränden, treffen kaum jemandem. Im NP ist neben dem Wallaby auch das östliche graue Känguru anzutreffen. Vor allem abends beobachten wir viele dieser grossen Tiere beim Äsen. Adler, Kormorane, Enten und viele andere Vögel lassen sich studieren. Ein Erlebnis ist immer wieder, die verschiedenen farbenprächtigen Papageien nahe beim Zelt zu beobachten. Wie elegant die putzigen Gesellen Zapfen mit einem Fuss halten und die Samen herauslösen – wir könnten minutenlang zusehen. Beim Kochen am Abend im gedeckten Unterstand, es ist bereits Nacht, begegnen wir ihm endlich, dem Tasmanischen Teufel. Was da so verlockend auf dem Grill riecht und in den Pfannen kocht, würden die nachtaktiven, schwarzen Tiere nur zu gerne stehlen. Ja nichts unbeaufsichtigt auf dem Tisch oder am Boden stehen lassen. Bea erschrickt gehörig, als sich Axl (irgendjemand hat dem Küchen-Teufel diesen Namen gegeben), an der Vorratstasche auf dem Boden zu schaffen macht. Mit erhobenem Schwanz und knurrend macht er sich ohne Beute aus dem Staub. Wenig später hören wir ihn mit Possums heftig streiten, die uns vom Gebälk über unseren Köpfen neugierig beobachten und zwischendurch um die Beine streichen, in der Hoffnung, dass etwas Fressbares vom Tisch gefallen ist. Die Nationalpark Besucher werden dringend gebeten, keine Tiere zu füttern. Tasmanische Teufel und Possums gewöhnen sich daran und verhungern später im Winter, wenn keine Touris mehr kommen. Ganz zu schweigen, dass sie zu zutraulich werden und irgendwann Menschen beissen. Dass die Tiere neugierig und beim Menü nicht wählerisch sind, erfahren wir später. Beas Lippencrème, die Neoprenstulpen um Bierdosen zu kühlen, ja selbst die Aludosen haben die Teufel neben anderem angefressen!
Wir meinen, für Maria Island sollte man sich mindestens zwei Tage Zeit nehmen. Die Insel ist wirklich ein Erlebnis und sehr zu Empfehlen.
(Fähre Triabunna – Darlington 40 $, Fahrrad 10 $ pro Person, Zeltplatz 13 $ pro Nacht und Zelt, Parkgebühr 12 $ pro Tag oder Pass für alle Nationalparks als Fussgänger oder Velofahrer 30 $, zwei Monate gültig)
Auf dem Waterfall Way zurück an den Pazifik
Die 180 Kilometer nach Urungu an der Küste sind bis auf das letzte Teilstück des Pazifik Highways ein Fahrvergnügen; besonders Landschaft und Natur präsentieren sich jeden Tag in einer äusserst interessanten Vielfalt neu. Wir queren auf diesem Weg die Great Dividing Range, den Bergrücken, der sich entlang der Pazifikküste erstreckt, brauchen also über Tage vor allem die kleinsten Gänge und literweise Flüssiges, geniessen aber jeden Kilometer, rauf(!?) und runter.
Kurz vor Wollombi wird die schmale Strasse ausgebaut, auf zwei Kilometern fressen sich mächtige Baumaschinen durch die rote Erde, der Verkehr muss sich auf einer Spur durch Staub und Schlaglöcher quälen. Der Bauarbeiter, der den Verkehr regelt, erzählt uns mit breitem Grinsen, dass gestern so eine verrückte Radfahrerin aus Europa mit einem 110 kg schweren Rad(!) samt solarbetriebenem Kühlschrank(!) hier stand. Wahnsinn! Mühen wir uns bei der Hitze schon mit je knapp 50 kg mächtig ab. Velos gehören diesmal nicht zum Verkehr, wir müssen, ob wir wollen oder nicht (kein Zureden hilft, Order von ganz oben, Fahrräder müssen verladen werden, selber fahren sei zu gefährlich), unser ganzes Puff auf einen Kleinlaster verladen, werden dafür aber gleich über den nächsten Hügel chauffiert, bekommen zum Schluss zwei eiskalte Colas in die Hand gedrückt und mit Handschlag und Entschuldigungen für die Umstände verabschiedet. Ja, Australien ist uns in solchen Momenten besonders sympathisch.
Bis Ebor herrschen trockenes Grasland und Eukalyptuswald vor, dann wird es feuchter, grüner; wir fahren durch Regenwald mit grossen Baumfarnen und ab Dorrigo entlang saftiger Weiden, vorbei an staunenden Kühen und weidenden Pferden, fast wie im Emmental.
Aber wo zum Teufel soll es hier mächtige Wasserfälle geben, wo hohe Berge fehlen? Aber ja, es gibt am Waterfall Way tatsächliche Wasserfälle, z.B. den Wollombi Fall mit 260 m, den zweithöchsten Australiens! Besucher stehen unvermittelt am Rand einer breiten, von dichtem Wald umgebenen, tiefen Schlucht, in die sich jetzt im Sommer nur ein dünnes Rinnsal ergiesst. Erosion und geologische Verwerfungen der vulkanischen Gesteinsschichten haben diese imposante Kulisse geschaffen.
Wir quartieren uns im Wald auf dem einfachen Campground ein. Es gibt nur gekieste Autoabstellplätze, was unsere Zeltheringe nicht so mögen, eine einfache Toilette und Wasser, das man nicht unbedingt ungekocht trinken sollte. Pit will gerade das Spaghettiwasser abschütten, als Bea ihm deutet, sich nicht zu bewegen und ruhig zu bleiben. Schei . . ., macht sich jetzt doch so ein giftiges, braunes, meterlanges Biest an meinen Hintern ran? Fehlalarm, zum Glück! Wir zelten offenbar direkt am Weideplatz eines Wallabys, das sich in der Dämmerung ohne Scheu auf wenige Meter herangefressen hat. Das kleine Känguru bleibt den ganzen Abend in unserer Nähe und am Morgen grüssen wir uns beim Gang auf die Toilette als erste. Das Zelten mitten im Wald hat seinen besonderen Reiz, nicht nur der Kängurus, Papageien, wilden Pfauen und der Eule wegen, die uns von ihrem nahen Hochstand aus aufmerksam beäugt. Der Vollmond übergiesst Schlucht und Wasserfälle mit samtweichem, goldenem Licht; wir fühlen uns klein, unbedeutend inmitten grandioser Natur, geniessen den seltenen Moment wortlos staunend und vergessen dabei das kräftezehrende Mühen in glühender Sonne Stunden zuvor. Schön, dass wir hier sein dürfen.
Wer beim Radfahren viel Verkehr, Lärm und eintönige Landschaft mag, sich auf schmalen Seitenstreifen wohlfühlt oder lieber gänzlich darauf verzichtet, der sollte unbedingt den Pazifik Highway ab Urunga nach Süden pedalen. Es gibt wirklich Velo-Masochisten, die sich auf der A1 entlang der Küste abmühen (den Pazifik sieht man sowieso kaum je). Im Moment gehören wir gezwungenermassen zu diesen Doofen; es gibt hier leider keine Alternative zum vielbefahrenen Highway. Pit hat auf seinem Navi bis Sidney diverse kleine und kleinste Strassen aufgespürt, die besser zu uns passen. Nur ab und zu müssen wir auf den A1 ausweichen. Der Weg wird länger, aber er ist nach wie vor unser Ziel.
Wellblech und Glücksmomente
Von Kempsey nehmen wir die 12 die zurück zum Meer nach Crescent Head führt. Das mühsame, laute Treten gestern auf dem Pazifik Highway dröhnt noch im Kopf nach. Wir freuen uns auf Meer, Sandstrände und gemütliches Bummelfahren nach Süden. Daraus wird vorerst nichts. Ein Autofahrer hält uns auf und rät ab, die Küstenstrasse zu fahren. Es habe zur Zeit nicht nur am Strand viel weissen, feinen Sand, sondern auch auf der Strasse. Unmöglich, mit unseren Velos da durchzukommen, wir müssten die 20 km zurück und den Highway nehmen. Neeein, das kann nicht sein! Alles andere ja, aber nicht diese beschissene Schnellstrasse. Ja, es gibt eine Alternative. Drei Kilometer zurück und dann die ungeteerte Maria River Road nehmen. Auf der ersten Hälfte kommt Freude auf. Der Gravel ist fest und glatt; wir pedalen durch prächtigen Eukalyptuswald, geniessen viel Schatten, ab und zu überholt ein Auto. Dann kommen wir unvermittelt unter den Presslufthammer, unsere (ungefederten) Velos gebärden sich bockiger als ein Pferd beim Einreiten. Die mit Löchern gespickte Wellblechpiste hat erst vor Port Macquarie ein Ende. Gestern hat ein Altrocker am Strassenrand gemeint, mit dem Motorrad wäre Reisen einfacher als mit dem Velo. Heute hätte auch er arg zu beissen gehabt, wäre er eine solche Route überhaupt gefahren.
Von Taree zum Zeltplatz in Forster sind es nur knapp 50 Kilometer, genug nach zwei anstrengenden Tagen. Nichts wie rein in den Aldi; wir freuen uns auf ein feines Nachtessen auf dem schönen Zeltplatz am See. Was ist das? Pit findet beim Verstauen des Einkaufs eine Visitenkarte im Helm, „wenn ihr eine heisse Dusche oder einen trockenen Platz zum Schlafen möchtet, ruft mich an, es kostet nichts!“, dazu ein Name samt Telefonnummer. Grandios, wir dürfen zwei Nächte bei Mag und Ian in ihrem wunderschön am Wasser gelegenen Haus zu Gast sein! Sie laden ab und zu mal Radfahrer ein, haben in jungen Jahren selber tolle Reisen unternommen. Einmal mehr sind wir grosse Glückspilze!
Ab Buhladehla führt uns eine recht gute Schotterstrasse zurück an die Küste. Legges Camp, das eigentlich nur aus dem Zeltplatz besteht, garantiert eine ruhige Nacht – allerdings ist Bea heute besonders bemüht, das Innenzelt gut zu schliessen. In der Dämmerung beobachten wir zwei recht grosse Warane, die auf Futtersuche nah um unser Zelt schleichen. Wir überleben die Nacht ungefressen und geniessen das gemütliche Pedalen auf der kleinen Küstenstrasse am anderen Morgen bis nach Tea Gardens, von wo wir mit der Fähre nach Nelson Bay übersetzen wollen. Allerdings wird die eigentlich kurze Bootstour zum Geduldsspiel. Die Fähre um ein Uhr kommt nicht, dafür etwas später eine andere, die uns aber noch nicht mitnehmen kann, weil sie jetzt eineinhalb Stunden vor Anker liegt. Bald folgt ein anderes, kleines Boot, das uns mitnehmen könnte, wir aber nicht wissen, wie die Velos samt Gepäck reinpassen sollen. Wir warten dreieinhalb Stunden und fahren dann mit der ersten Fähre, die letztendlich eine halbe Stunde später ablegt, als zuerst mitgeteilt. Alles klar? Uns auch nicht. Irgendwie bringen die zwei Fährgesellschaften es fertig, nicht zu wissen, wann die jeweils andere fährt, ganz zu schweigen von einem gemeinsamen Fahrplan. Egal, was bedeutet schon Zeit, wenn man jede Menge davon hat und die Sonne scheint?!
Von Faszinierendem und Verschissenem
Für uns ganz besonders faszinierend ist die Tierwelt in Australien, die uns jeden Tag von neuem begeistert. Vor allem an den Vögeln, insbesondere den grossen und kleinen Papageien, so leuchtend farbig, wie man sie nie malen könnte, können wir uns nicht satt sehen. In grossen Schwärmen ziehen sie vor allem am frühen Morgen und Abend unter ohrenbetäubendem Gekreische von Baum zu Baum. Vor ein paar Tagen auf dem idyllischen Zeltplatz in Belmont, wir haben am Vortag einen schattigen Platz unter einem mächtigen Baum ergattert, weckt uns das Gezeter am frühen Morgen. Ausgerechnet auf unserem Baum erledigt die bunte Schar ihre Morgentoilette. Manchmal erweist sich ein toller Zeltplatz im Nachhinein als echt „verschiessen“ . . . Nach Nelson Bay steuern wir den Emerald Tiki Village Campground an und hoffen, dass die gute Bewertung im Internet auch zutrifft. Wie die meisten Plätze hier an der Küste kurz vor Sidney, ist auch er mit 40 $ teuer, vor allem aber wird er vorwiegend von Langzeitcampern mit ihren fest installierten Wohnwagen belegt (solche Zeltplätze gibt es viele); wir stehen mit unserem Wigwam einmal mehr allein auf weiter Flur. Die Campküche erweist sich als Unterstand mit Kühlschrank und Mikrowelle. Kein Kochherd, kein Wasser. So dürftig wurden wir noch selten abgespeist. Beim Abendessen besucht uns ein Possum (ein Beutelsäuger, etwa so gross wie eine Katze), verschwindet aber gleich wieder im Dunkeln. Wenig später beim Zelt wagen sich zwei der putzigen Tiere mit den grossen Knopfaugen und dem buschigen Schwanz nah an Pit heran, knabbern an der Taschenlampe in der Hoffnung auf etwas Fressbares. Wir sitzen still da und geniessen den schönen Moment mit den beiden Tieren. Der teure Zeltplatz hat sich doch rentiert.
Sidney – nach erlebnisreichen, interessanten 1465 Kilometern ist die Hauptstadt von New South Wales und zugleich grösste Stadt Australiens an der Ostküste erfahren. Vor allem die ersten 900 Kilometer im Landesinnern auf dem New England Highway und dem Waterfall Way waren ein Erlebnis. Entlang der Pazifikküste haben einzig die wenigen kleinen Strassen und Schotterwege gefallen. Ansonsten war für uns am Meer (das man kaum je sieht) wenig Fleisch am Knochen. Zu dicht besiedelt, zu grosse Highways, viel Verkehr und Lärm, teure Zeltplätze, eher eintönige Landschaft.
Bis Melbourne touren wir mit dem Greyhoundbus; die Zeit läuft uns davon! Am 21. nimmt uns die Fähre mit auf die Insel Tasmanien im Süden. Einen ganzen Monat dürfen wir das Eiland erkunden, von dem alle hier wegen seiner einmaligen Natur schwärmen. Wir freuen uns sehr!
Im Land der Kängurus
Das Einchecken auf dem Christchurch International Airport mit unserem ganzen Bagage klappt prima und dank freundlicher weiblicher Hilfe müssen wir für die wenigen Kilo Übergepäck nichts bezahlen. Nach dreieinhalb Stunden entspanntem Reisen bei bestem Wetter ist der kurze Sprung nach Down Under geschafft; wir überfliegen grosse Korallenriffe (und träumen schon vom Schnorcheln) bevor wir wenig später in Brisbane landen – grandios, wir sind in Australien! Hätten wir uns lange nicht träumen lassen.
Neu für uns ist, dass die Immigration hier fast ohne Personal vonstatten geht. Vor einem Gate muss der Pass in einen Schacht geschoben werden, wo er eingelesen wird, gleichzeitig wird eine Kennkarte ausgedruckt, mit der man das gleiche Prozedere samt Pass an einem nächsten Gate wiederholen muss, gleichzeitig schiesst ein Automat ein Foto, fertig. Unser Gepäck samt Fahrradschachteln liegt schon auf dem Fliessband, ehe wir Rollis organisieren können. So flott ging das noch nie! Mit unseren Ikea Taschen und den verklebten Schachteln erregen wir dann doch Interesse. Die junge freundliche Dame wirft einen kurzen Blick in Bea’s Velokarton, ist offenbar zufrieden und – schwupp – sind wir durch. Rascher und unkomplizierter kann man kaum in einen neuen Kontinent einreisen. Sicher liegt das auch an unseren sauberen Haarschnitten und dem versprühten Charme.
Die erste Woche dürfen wir bei Terry und dann bei Keila zu Gast sein, den beiden aufgestellten, hilfsbereiten Australierinnen, die uns bereits in Neuseeland verwöhnt und bekocht haben, als wir Nachbarn in gemütlichen Cabins waren. Puhh, manchmal wissen wir kaum mehr wo uns der Kopf steht (könnte auch der Wein sein) bei so viel Leckerem und all den neuen Eindrücken. Wie haben wir das verdient?! Entspannter ist uns der Einstieg in ein neues Land noch nie geglückt, und dass wir nicht gleich losfahren müssen, soll uns erst mal nicht kümmern.
Terry, Keila, Katie und Claude, die Zeit bei euch war ein Aufsteller der Extraklasse. Thank you so much, we have been so happy to spent a lot of time with you!!
Queensland und Völlegefühle
Unser Bauchgefühl für das 40. Land auf unserer grossen Reise ist nach einer Woche vor allem ein Völlegefühl. So viele leckere Köstlichkeiten auf einmal haben unsere Mägen gefordert, höchste Zeit wieder an der Kondition zu feilen. Mit Wehmut trennen wir uns von unseren grosszügigen Gastgebern, im Wissen, beim nächsten längeren Australienaufenthalt – für Terry, Keila, Katie und Claude steht ausser Frage, dass wir wiederkommen – jederzeit willkommen zu sein.
Der hübsche kleine Ort Maleny liegt auf ca. 450 m ü. M., eine gute Autostunde nördliche von Brisbane in den Bergen. Etwas Kleingeld braucht man, um sich hier eines der schönen grossen Häuser mit viel Umschwung leisten zu können, dafür sind die Temperaturen angenehmer als im heissen Tiefland, wozu auch die angenehme Brise beiträgt.
Nach Regentagen dürfen wir mit Sonnenschein starten, ab und zu schiebt eine unsichtbare Hand Wolken vor die glühende Scheibe, wie uns scheint, immer dann, wenn wir uns beim nächsten steilen Strassenstück abmühen, und solche gibt es am ersten Tag zuhauf. Viehweiden wechseln sich mit lichten Eukalyptuswäldern ab, die Landschaft ist hügelig, grün und in ihrer Weite für uns Schweizer von speziellem Reiz. Bis nach Kilcoy begleitet uns kaum Verkehr und bei knapp 30 Grad lässt sich prima pedalen. Im kleinen Dorf liegt der Showground (Zeltplatz, der sich praktisch in jedem Ort findet, vielfach unentgeltlich, mit WC/Duschen/Trinkwasser, beliebt bei den Grey Man, den reisenden Rentnern ohne festen Wohnsitz) direkt an der Strasse. Wir decken uns im nahen Boddle Shop mit Bier ein, geniessen eine heisse (gratis!) Dusche und bald brutzeln die Bratwürste in der Pfanne. Wie damals auf den Philippinen wird es ab 19 Uhr rasch dunkel. Sicher mit ein Grund, dass wir in der Regel kurz nach 20 Uhr flach liegen. Nach dem Eindunkeln bekommen wir heute, quasi als Dessert, ein besonderes Spektakel geboten. Tausende Flying Foxes (Flughunde) steigen kreischend aus ihren Schlafbäumen in den Nachthimmel über Kilcoy, am Konzert beteiligt sich ein Schwarm Papageien (Mamageien bisher keine gesehen), nicht weniger laut lärmend. Vor allem die Vogelwelt in ihrer Farbigkeit und Artenvielfalt hat uns während der ersten Woche in Brisbane und Maleny fasziniert. Wie oft haben wir uns am neugierigen Kookaburra, dem Lachenden Hans, mit seinem dem menschlichen Lachen ähnlichen Geschnatter, amüsiert. Ein lustiger Geselle aus der Familie der Eisvögel, der in Australien weit verbreitet und nach dem ein bekanntes Kinderlied benannt ist.
Am Abend lädt uns unser Nachbar Mikel zu einem Kaffee ein. Er lebt als Rentner in seinem 4x4 Offroader, bereist ganz Australien und geniesst es, abends mit Gleichgesinnten zu quatschen. Wie lange willst du unterwegs sein? „When I gonna die, my car will die, and when he dies, I’m gonna die to“, so einfach ist das. Ob wir den Kaffee gut finden? Also, dann nehmt doch gleich die ganze Büchse mit, ich schenke sie euch. Wir erleben die Aussies täglich als kontaktfreudig, offen und hilfsbereit. In Brisbane liess uns die nette Busfahrerin gratis mitfahren, weil wir kein Kleingeld hatten, sitzen wir am Strassenrand im Schatten, hält sicher ein Autofahrer an, um sich zu erkundigen, ob mit uns alles in Ordnung sei. Das Völlegefühl ist einem guten Bauchgefühl gewichen; wir fühlen uns bisher sehr wohl in Australien.
Eigentlich wäre Ipswich Etappenort, doch wir müssen eingestehen, dass uns das ewige Auf und Ab mehr fordert als geplant, auch, weil der Verantwortliche die Temperatur auf 33 Grad hochgedreht hat. Hitze war in den letzten Monaten tatsächlich eine seltene Gunst; wir sind es schlicht nicht mehr gewohnt, im Backofen zu strampeln und literweise Flüssiges einzuschütten und trotzdem nicht pinkeln zu müssen.
Das Fahren entlang der weit verzweigten Stauseen Lake Somerset und Wivenhoe ist kurzweilig, es gibt kaum Verkehr. Offenbar hat es länger nicht mehr ausgiebig geregnet, die Farben Braun und Gelb herrschen vor. Wir mögen uns nicht vorstellen was los ist, wenn hier ein Buschfeuer wütet. Die Eukalyptusbäume mit ihrem öligen Saft sind ein Brandbeschleuniger erster Güte.
Heute beobachten wir die ersten Kängurus, die allerdings in weiten Sprüngen Reissaus nehmen, als sie uns sehen. Vielleicht haben die Rinder das den Beutelträgern abgeschaut, auf jeden Fall stürmen ganze Herden, kaum haben sie uns entdeckt, mit erhobenen Schwänzen auf und davon. Velofahrer als Rinderschreck. In Fernvale ist für heute Schluss. Morgen ist auch noch ein Tag.
Leider ist der Showground im kleinen Ort geschlossen, ziemlich ratlos fragen wir im Pup, ob sich etwas anderes finden lässt. Nein, bis Ipswich keine Chance. Hmm, was nun Herr Kuhn? Wirtin Helen spendiert erst mal ein Bier und bittet zu warten. Nach einigem Nachfragen und diversen Telefonaten teilt sie uns mit, dass sich eine Familie im Dorf freut, wenn wir unser Zelt in ihrem Garten aufstellen würden. Super, herzlichen Dank Helen und Sam, für die Bemühungen! Michelle, ihr Mann Andrew, ein Feuerwehrmann vom Scheitel bis zur Sohle, und ihre beiden Söhne samt Hund Holly erwarten uns bereits. Der Garten ist eigentlich ein Park, in dem man fast zwei Fussballfelder einrichten könnte. Australische Ausmasse eben. Wenn wir wollen, können wir auch zwei Nächte bleiben, Duschen und die Toilette benützen inklusive. Mit guten Ratschlägen betreffend giftiger Schlangen und einem interessanten Routenvorschlag für den kommenden Tag verabschieden wir uns am nächsten Morgen. Einmal mehr beeindruckt uns die grosse, unkomplizierte Gastfreundschaft der Aussies.
Den Cunningham Highway mit seinen vielen grossen Trucks lassen wir links liegen und nehmen die ruhigere Route etwas abseits nach Aratula im Süden. Zunehmend führt uns die Strasse im Kakao herum, wir schlagen Haken wie Hasen, auf sieben Kilometern gibt’s nur noch Schotter. Solche einsamen Abschnitte mögen wir sehr, sind erst in Neuseeland richtig auf den Gravel-Geschmack gekommen. Dafür begrüsst uns am nächsten Tag zurück auf dem Highway viel lärmiger Verkehr; zwei Drittel davon machen die riesigen Trucks aus, die uns mit Tempo aber mit genügend Abstand überholen. Ab Warwick geht es auf dem New England Highway weiter.
Beim Planen der Strecke haben wir uns nach reiflichen Überlegungen und Berichten im Internet entschlossen, auf dem ersten Teil den grossen Pacific Highway A1 zu meiden und mehr im Landesinnern, durch das Hochland der Great Dividing Range zu pedalen. Als Konsequenz strampeln wir happig viele Höhenmeter und nehmen grössere Hitze in Kauf, dafür lässt uns der Verkehr weitgehend in Ruhe, die Landschaft ist in ihrer Weite einfach wunderschön und so manch kleines Städtchen wie Glen Innes oder Armidale sind Perlen, die einen Besuch lohnen.
New South Wales
Bis Guyra mit seinem höchstgelegenen Zeltplatz Australiens auf 1335 m ü.M. (der sich als ziemlich mies, weil ungepflegt erweist), steigt der New England Highway beständig an, auch wenn wir das nicht so erleben, weil auf jeden schweisstreibenden Kraftakt gleich eine erfrischende Abfahrt folgt. Die Nächte auf 1000 m sind angenehm kühl und sorgen für guten Schlaf. Auf dem Campground in Glen Innes bekommen wir mit der Platzmiete grosszügige 500 Gigabyte Daten für das Internet. Super! Compy, heute musst du noch schwitzen!
Bruce und Lee, unsere Zeltplatz-Nachbarn (Bruce Lee, witzig, die beiden heissen wirklich so), verwickeln uns gleich in ein Gespräch. Wir plaudern, geniessen den vollmundigen Roten bis zum Eindunkeln, vergessen Zeit, Zelt, Gepäck, unsere vielen Megabyte und fast das Nachtessen. Die beiden Rentner sind seit Jahren mit ihrem Wohnwagen unterwegs, bieten ihre Housesitting Dienste an, helfen mal hier mal dort bei Arbeiten aus, geniessen das freie Leben ohne festen Wohnsitz und freuen sich an jeder neuen Bekanntschaft. Wir auch. Was sind schon 500 Megabyte gegen gute Gespräche und gemütliches „Zämehöckle“!
Nach zwei Pausentagen in Armidale, der höchstgelegenen Stadt Australiens, freuen wir uns auf den Waterfall Way, der uns in vier Tagen durch Regenwald-Nationalparks und an vielen imposanten Wasserfällen vorbei zurück an die Pazifikküste führen wird.